KOMMENTAR: Die Stimmung schlägt um. Lange Jahre ist der Wirtschaftsstandort Deutschland schlecht geredet worden. Vor allem Hans-Olaf Henkel, der frühere Vorsitzende des Bundesverbandes der deutschen Industrie (BDI) hat sich mit Schmähungen auf die Konsensgesellschaft hervorgetan. Das war noch zu Zeiten der zum Schluss handlungsunwilligen Kohl-Regierung. Henkels Nachfolger Michael Rogowski sah sich dagegen vor einigen Wochen dazu genötigt, die rot-grüne Regierung ausdrücklich für ihren Reformkurs zu loben.
In der IT-Branche zeichnet sich ein ähnlicher Umschwung an. Dort hat Willi Berchthold, Präsident des Branchenverbandes Bitkom einen Kurswechsel um 180 Grad vollzogen. Auch er lobte kürzlich die Bundesregierung. Das war nicht immer so. Über Jahre polemisierte gerade Bitkom schamlos zugunsten der eigenen Klientel, der meist mittelständischen ITK-Anbieter. Die Wirtschaftspolitik der rot-grünen Regierung diffamierte sein Vorgänger Volker Jung mit dem Verdikt: „Die öffentliche Hand hat kein Geld, und mischt sich trotzdem in Dinge ein, von denen sie nichts versteht.“ Im gleichen Atemzug forderte Jung jedoch lukrative Regierungsaufträge. Als Gegenleistung hatte er – das war vor über einem Jahr – nichts zu bieten als die Androhung von Entlassungswellen.
Die Ära Jung wirkt noch nach: So nennen die von Bitkom befragten Unternehmen nach wie vor die Politik als wichtigstes Wachstumshemmnis. Doch anders als früher ist diesmal nicht nur die rot-grüne Regierung, sondern auch die Opposition gemeint. Im Gegensatz zu den Befragten äußert sich Jung-Nachfolger Berchtold zufrieden über die konstruktive Zusammenarbeit mit Berlin. So sei es gelungen, die „Ausbildungsplatz-Strafsteuer“ – wie er die Umlage nennt – abzuwenden, einen Kompromiss in der Zuwanderungsfrage zu finden, der es nicht verhindere „Top-Leute ins Land zu holen“.
Berchthold bekennt sich explizit zur gesellschaftlichen Verantwortung seines Verbandes, bietet der Bundesregierung Unterstützung bei ihren Reformbemühungen an und lobt zum Beispiel die Fortschritte bei der für 2006 vorgesehenen Gesundheitskarte. Wo sein Vorgänger jammerte, forderte und drohte, bietet er seine Zusammenarbeit an. Wichtiger noch, bei langfristigen Zielen sieht er auch die Wirtschaft in der Pflicht: Förderung von Bildung, Investitionen in Forschung, intellektueller Austausch auch durch Zuwanderung sowie die Schaffung von Unternehmen, die Management und Mitarbeitern Luft zum Atmen lassen.
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