Deutscher TK-Markt sucht neue Wege

Nach dem Verkaufsstart von Handys bei Tchibo wird sich der Mobilfunkmarkt in Deutschland noch weiter bewegen. Während sich Tchibo auf die Netzdienste von O2 stützt, gehen Marktkenner davon aus, dass der schwedische Telekommunikationsanbieter Tele2, bisher im Festnetz sehr aktiv, entsprechende Verträge mit E-Plus abschließt. Laut dem Unternehmensberater Ralf Sürtenich von Insieme Network werden sich Telekommunikationsdienste zu „Blisterverpackungs-Services‘ entwickeln, die im Supermarkt oder wie im Fall von Tchibo in der Kaffeeröster-Filiale angeboten werden. Der Trend weg vom technischen Image und hin zum Gebrauchs-Dienst wird weitergehen. Marketing und Werbung werden bei der Telekommunikation im Vordergrund stehen, die Technik hingegen wird von Spezialisten im Hintergrund abgearbeitet. Auch das MVNO-Konzept gehört zu diesem Trend“.

Tele2 plant zum Jahresende den Verkaufsstart mit einer eigenen Mobilfunk-Marke in Deutschland, so der Vorstandvorsitzende des Unternehmens, Lars-Johan Jarnheimer. Tele2 wählt dazu die Konstruktion eines Mobile Virtual Network Operator (MVNO). Diese Idee ist nicht grundsätzlich neu, sie wurde bereits 2001 in verschiedenen europäischen Ländern diskutiert, aber kam bislang kaum zur Realisation. Ein MVNO betreibt im Gegensatz zu einem echten Mobilfunknetzbetreiber kein eigenes Netz, aber eigene Plattformen für Authentisierung, Accounting und Billing. Er verfügt über eigene Vermittlungstechnik und Teilnehmerdatenbankstruktur, kauft aber die Netzübertragung, also die Vermittlungsleistung ein. Dadurch kann er sich im Unterschied zu einem Service-Provider als eigenständiger Anbieter positionieren, eigene Dienste und ein individuelles Service-Angebot kreieren.

Auch für Tele2 ist die Idee des MVNO nicht neu: bereits 2002 hatte man sich damit beschäftigt, scheiterte aber an Regulierungshürden und auch daran, dass O2 der potenzielle Netzpartner sein sollte und somit wegen des begrenzten Netzausbaus auch ein Zugriff auf das T-Mobile D1-Netz erforderlich gewesen wäre, was aber von der Telekom-Tochter abgelehnt wurde. Tatsächlich erweist sich Tele2 immer wieder als einer der schärfsten Kritiker des Ex-Monopolisten und dessen Geschäftsgebarens. Jarnheimer beschwert sich scharf über die deutsche Regulierungspraxis. „Deutschland ist regelmäßig das letzte Land in Europa, das die Richtlinien der EU für die Telekommunikation umsetzt“, erklärt er. In der Folge würden die Rahmenbedingungen zudem oft sehr freundlich für die Deutsche Telekom ausgelegt. Im Gegensatz dazu habe es zum Beispiel der Regulierer in Frankreich erheblich besser geschafft, den dortigen Ex-Monopolisten ‚auf dem Teppich zu halten'“.

Zusätzlich zum Markteintritt im Mobilfunk schaut Tele2 nach Angaben von Jarnheimer auch sehr aufmerksam auf den deutschen Breitbankmarkt und die DSL-Angebote. Da Tele2 die Konditionen der Deutschen Telekom zum Wiederverkauf von DSL-Anschlüssen – also Resale – für völlig unzureichend hält, schaut sich das Unternehmen nach seine Worten auch nach Akquisitionsmöglichkeiten auf dem deutschen Markt um. Auch bei der Interconnection für Sprachtelefonie kritisiert Jarnheimer die Situation in Deutschland: die hierfür berechneten Tarife seien in kaum einem anderen Land so hoch wie in Deutschland. Daher sei die Rohertrags-Marge in Deutschland deutlich niedriger als in anderen europäischen Ländern, wo diese bei 30 bis 40 Prozent liege. In Deutschland hingegen würden zwischen fünf und zehn Prozent erreicht.

Der Tele2-Chef steht damit nicht alleine, auch die Schlussfolgerungen des TK-Experten Sürtenich gehen in die gleiche Richtung: „Meist wird der Telekommunikationsmarkt in Deutschland in der Verteilung der Gesamtumsätze der Wettbewerber betrachtet. Das sich daraus ergebende Bild entspricht aber nicht der unternehmerischen Realität. Zum einen geht ein ganzer Teil der Umsätze, welche die Telekom an die Wettbewerber verliert, am Ende doch wieder über Interconnection, Mietleitungskosten und Vorleistungsentgelte an die Telekom zurück. Zum anderen sagen die Umsätze nichts über die Profitabilität des Geschäftes. Wirklich profitabel arbeiten heute nur wenige Anbieter in Deutschland. Der Regulierer will das aber nicht wahrnehmen, dass der Telekommunikationsmarkt in Deutschland heute für Investoren kaum attraktiv erscheint. Offensichtlich ist die Behörde mit dem Status Quo sehr zufrieden.“

ZDNet.de Redaktion

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