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Medientage: Digitalisierung zwischen Technik und Politik

Technische Probleme lassen sich lösen. Von größerer Bedeutung ist jedoch, dass die Medienbranche sich von der Digitalisierung die Erschließung neuer Verwertungsmöglichkeiten erhofft. Während der Medientage wurden Geschäftsmodelle gehandelt, die IT-Fachleute fatal an die Visionen des Dotcom-Booms erinnern. Dabei gibt es allerdings einen Unterschied, der dafür sorgt, dass die Wunsch-Bäume nicht in den Himmel wachsen: Reichte im Internet manchmal schon ein gelungener Web-Auftritt in Verbindung mit einem Businessplan, um Geld zu machen, so müssen sich die Ideen für digitale Medien in eine Wertschöpfungskette (Filmemacher, Werbetreibende, Studios, Fernsehanstalten etc.) einreihen, bei der jeder Beteiligte darauf achtet, nicht zu kurz zu kommen. So scheitert die Live-Übertragung von Bundesligatoren aufs Handy nicht nur an technischen Problemen, sondern auch an den teuren Übertragungsrechten, die von den Sportverbänden (als Content-Provider) kontrolliert werden.

Ein weiteres Kennzeichen ist, dass hier – anders als bei der IT – die Marktbedingungen für die einzelnen Player sehr unterschiedlich sind. Die Hollywood-Studios und ihre Vertriebsorganisationen etwa fühlen sich so mächtig, dass sie glauben, auf niemanden Rücksicht nehmen zu müssen. Selbst Microsoft hat Jahre gebraucht, um Disney, Warner & Co. davon zu überzeugen, sich technische Vorschläge für Digital Rights Managment wenigstens anzuschauen, berichtet Cyril Glockner, Business Manager Deutschland für digitale Medien. Angesichts der derzeit guten DVD-Umsätze fehle es einfach an Problembewusstsein. Sein vernichtendes Urteil: „Die Filmindustrie hat nichts von den Raubkopier-Problemen der Musikindustrie gelernt.“ Und beide Branchen hätten größte Probleme, sich mit neuen digitalen Vertriebskonzepten für ihre Produkte zu anzufreunden, auch wenn mit Apples Itunes ein erster Schritt getan sei.

Apples Itunes – einem auf den Medientagen allgegenwärtiges Beispiel – steht auch dafür, dass man die Kunden bei ihren Interessen abholen muss. Spartenprogramme sind angesagt. Musikliebhaber sind bereit, das hat sich gezeigt, für ihr Hobby Geräte zu kaufen und auch für Songs zu zahlen, die sie bislang aufwändig, illegal, aber kostenlos aus Peer-to-Peer-Netzen gefischt haben. Im Zentrum der meisten in München geäußerten Geschäftsideen steckt ebenfalls das Konzept, sich auf eng definierte Zielgruppen zu konzentrieren. Am Rechner wäre es kein großer Aufwand, aus vorhandenem Sendematerial Spartenkanäle für Surfer, Katholiken, Golfspieler, Börsenzocker etc. mit einschlägigen Spielfilmen, Nachrichten und – last but not least – mit zielgruppengerechter Werbung zu füllen. Dank Internet, Satellit und Handy lässt sich der Verlust an Reichweite durch die Eingrenzung der Zielgruppe auf ein erträgliches Maß egalisieren. So sollen Fussball-Fans die Tore ihrer Mannschaft gegen Entgelt auf den Fernseher, den PC und das Handy gesendet bekommen. An Musikliebhaber richtet sich ein Sender, bei dem im laufenden Programm Stücke auf das Handy oder den Rechner geladen werden kann. Mit digitalem Rückkanal wäre das schon mehrere Jahre alte M-Commerce-Geschäftsmodell deutlich einfacher und günstiger zu realisieren. Auf solche Vereinfachung hat auch Musiksender Viva Lust, denn schon jetzt gehört dort Merchandising zum Kerngeschäft. Weitere Geschäftsmodelle sehen vor, dass Kinos durch digitale und via Netz übertragene Filme in die Lage versetzt werden ad hoc ihr Programm zu ändern und beliebig auszuweiten. So ließen sich etwa für die umsatzschwachen Wochentage Spezialprogramme für Randgruppen organisieren. Telecom-Dienstleister Arcor denkt an eine Dienstleistung, bei der die Sendungen eines Tages komplett für den Kunden aufgenommen werden, der dann später entscheiden kann, was er ansieht. Kurz: Die Fantasie der Geschäftsleute läuft ähnlich auf Hochtouren wie zu Zeiten des Dotcom-Booms. Wie damals geistert die vage Vision durch die Messehallen und Vortragsräume, das „wir uns 80 Prozent der künftigen Geschäftsmodelle noch nicht einmal vorstellen können“.

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ZDNet.de Redaktion

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