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Merging Media für eine andere Wirklichkeit

Gemeinsam lassen sich – vielleicht – seit Jahren verkündete Geschäftsmodelle wie Einkaufen mit dem Fernseher, Video on Demand oder Fernsehen am Handy etablieren. Öffentlich-rechtliche Anstalten, Privatsender, Kabelkanäle, Satellitenfinanziers, Breitbandanbieter, Unterhaltungselektroniker, PC-Industrie, WLAN-Propagandisten, Mobilfunker und viele mehr drängeln an die noch nicht gebauten, geschweige denn gefüllten Futtertröge. Unter dem Begriff Merging Media wird derzeit ein Hype aufgeblasen, der dem Dotcom-Boom nicht unähnlich ist. Doch in der Hoffnung auf das große Geld übersehen die Medienpartner geflissentlich, was ihre eigenen Berater die „zentrifugalen Funktionen für die Gesellschaft“ nennen.

Die zentrifugalen Kräfte rühren daher, dass die meisten Pläne auf Spartensendungen hinauslaufen. „Delinearisierung von Medienangebot und -nutzung“ nennt das Stefan Jenzowsky, Psychologe und Leiter einer Gruppe für Geschäftsinnovationen bei Siemens COM. Dazu gehört, dass sich etwa Arcor überlegt, den Videorekorder als Dienstleistung anzubieten. Dabei nimmt Arcor das gesamte Fernsehprogramm rund um die Uhr auf eine zentrale Festplatte auf, von der sich der Kunde dann die Sendungen wählt, die er tatsächlich sehen möchte. Microsoft und andere versuchen das Wohnzimmer zu erobern, indem sie dabei helfen, über den PC aus dem Internet geladene Filme oder Spiele auf den Fernsehbildschirm zu bringen. Schon jetzt können sich Sportinteressierte ihren Kanal im Kabel reservieren und brauchen keine Nachrichten mehr zu sehen. Beim Musikkanal Viva schwärmt man von den Möglichkeiten des Merchandising via TV, Internet, Handy etc. Video on Demand soll aufs Kino ausgedehnt werden, so dass neue Filme nicht mehr wie bislang bundesweit an einem Donnerstag ins Kino kommen, sondern so, wie es dem Kinobetreiber am lukrativsten erscheint.

All diese Vorschläge haben folgendes gemeinsam: Verbreitet wird ausschließlich, was bezahlt wird und man wird sich morgens in der Schule oder am Arbeitsplatz nicht mehr darüber unterhalten können, was man gestern gesehen hat. Das klingt harmlos, ist aber in einer Gesellschaft, die sich zunehmend über das Fernsehen informiert, alarmierend. Wen wählen und welche Werte vertreten Menschen, die sich vorwiegend aus dem Sport-, dem Musik- und den Spielfilm-Kanal informieren? Können Eltern und Schule, Werteprioritäten wieder zurechtrücken, die auf der Suche nach dem „Superstar“, der schnellen Quiz-Million oder durch das Vorbild von Container-Berühmtheiten durcheinander gewirbelt wurden? Wie begrenzt man die private Überschuldung, wenn Menschen von klein auf beigebracht wird, dass ein gutes Lebensgefühl davon abhängt, ob man sich kleidet und ausstattet wie die Fernsehvorbilder?

Stoiber verteidigt ARD und ZDF vor sich selbst

Zu den prominentesten Warnern vor solchen Fehlentwicklungen zählte auf den letzten Münchner Medientagen der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber. Der Propagandist von Laptop und Lederhosen machte sich für einen öffentlichen Rundfunk ohne Werbung stark, der weniger nach Quoten schielt und den teueren Sport zugunsten von Qualitätsproduktionen und Informationssendungen reduziert. Sein Credo: In den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten darf der Kommerz nicht überhand nehmen.

Stoiber geht es nicht darum, den Privatsendern einfach nur den Werbekuchen zu überlassen, vielmehr möchte der ausgewiesene Medienkenner Fehlentwicklungen wenigstens von den Sendern abwenden, auf die er ein wenig Einfluss hat. So beklagt er, dass vom ARD erwogen werde, nach den Kulturbeiträgen nun auch die politischen Informationssendungen in den späten Abend zu verbannen. Stoiber ärgert, dass im gebührenfinanzierten ARD die Anrufer bei der Abstimmung über das Tor des Monats zusätzlich zu Kasse gebeten werden. Wenig Verständnis zeigt er für Thomas Gottschalks Forderung, die Kommerzialisierung voranzutreiben, weil Top-Gäste anders nicht mehr zu bekommen seien.

Aber auch die Privatsender warnt er von Shows, in den denen Menschen sich öffentlich Mobben dürfen oder für Schönheitsoperationen geworben wird. Die Folgen solcher Wirklichkeitsverzerrung, so der Ministerpräsident, hätten dann die „Volkschullehrer auszubaden“.

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ZDNet.de Redaktion

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