China kämpft mit Taiwan um PC-Markt

Feuerrot und glanzlackiert steht der Ferrari 3400 im Schaufenster, auf der Haube der schwarze Hengst auf gelbem Grund. Die Maschine darunter gehört zum Stärksten, was der Markt zu bieten hat. Doch bei dem roten Renner handelt es sich nicht um den Traum auf vier Rädern, sondern um einen im Ferrari-Look lackierten Laptop aus dem Hause Acer. Ein Werbegag für Schumi-Fans? Für den offiziellen Computerlieferanten der Scuderia ist der Ferrari-PC weit mehr: ein Symbol für die Aggressivität, mit der die Taiwaner der Konkurrenz Marktanteile abjagen.

Inzwischen liegt Acer nahezu gleichauf mit der Nummer vier Fujitsu Siemens – und wächst rasant. „Unser Ziel ist Platz drei im PC-Markt“, sagt der Ende Dezember aus dem Amt scheidende Acer-Chef Stan Shih. Eine Kampfansage an Liu Chuanzhi: Der Gründer des größten chinesischen Computer-herstellers Lenovo hat vor wenigen Tagen für rund 1,75 Milliarden Dollar IBMs PC-Sparte übernommen und klettert damit von Rang acht auf Platz drei der Branche.

Der Kampf um den dritten Rang nach Dell und Hewlett-Packard (HP) geht über die Konkurrenz zweier PC-Hersteller aus Festland- beziehungsweise Inselchina weit hinaus. Im Kern geht es um den Wettbewerb konkurrierender Geschäftsmodelle. Auf der einen Seite steht Lenovo als Komplettanbieter mit eigener PC-Produktion. Acer dagegen ist heute ein schlankes Unternehmen, konzentriert auf Entwicklung und Vertrieb. Die Taiwaner verzichten auf eine eigene Geräteproduktion und lassen ihre Rechner bei Auftragsfertigern zusammenschrauben, unter anderem in China.

Geht es um Größe, ist die neue Lenovo im Vorteil. Das Gemeinschaftsunternehmen, an dem IBM noch mit knapp 19 Prozent beteiligt sein wird, bringt es 2004 auf einen Umsatz von rund zwölf Milliarden Dollar. Mit einem Marktanteil von 7,7 Prozent setzt Lenovo auf Kostenvorteile vor allem beim Einkauf von PC-Komponenten.

Der transpazifische Deal gilt daher als smarter Schachzug. Er eröffnet einerseits IBM den direkten Zugang zum größten PC-Markt in Fernost. Zugleich erreicht Lenovo – bisher primär ein nationaler Player – über den Vertrieb von IBM auf einen Schlag den Weltmarkt. „Für uns ist das ein großer Schritt auf dem Weg zur Globalisierung“, freut sich Lenovo-Spitzenmann Liu, der seinem 1984 gegründeten Unternehmen im vergangenen April den neuen Kunstnamen Lenovo gab, um das im Ausland mit dem alten Namen Legend verbundene Image des chinesischen Billigproduzenten abzustreifen.

Einfach wird es für das neu formierte PC-Duo dennoch nicht, die Konkurrenz auf Distanz zu halten. Zum einen ist offen, ob die IBM-Kundschaft – vorwiegend Geschäftskunden – der Marke unter fernöstlicher Führung treu bleiben. Nicht nur, dass Lenovo beweisen muss, ob es die hohen Produktstandards aufrechterhalten kann, für die IBM-Notebooks bisher geschätzt waren. „Die neuen Partner müssen auch erst einmal zusammenfinden und eine gemeinsame Unternehmenskultur entwickeln“, sagt Bill Shope, Computeranalyst beim Investmenthaus J. P. Morgan. „Die Zeit werden die Konkurrenten nutzen, um ihre Marktanteile auszubauen.“ Bei Dell und HP knallten nach der Ankündigung des Deals die Sektkorken.

Zum anderen ist unklar, wie erfolgreich Lenovo sein stark auf Endkunden orientiertes Geschäft in internationale Märkte ausweiten kann. Zumal Lenovo in der Heimat der wachsenden Konkurrenz Tribut zollen musste. So stieg der Umsatz 2003 zwar um fast 15 Prozent auf umgerechnet rund drei Milliarden Dollar, der Gewinn auf Grund sinkender Margen jedoch nur um 3,5 Prozent auf 135 Millionen Dollar. „Natürlich bekommen die Chinesen mit IBM-Rechnern einen erstklassig eingeführten Markennamen in die Hand“, sagt Andrew Brown, Computermarkt-Analyst beim Marktforscher IDC, „aber IBMs Erfolg bei Geschäftskunden lässt sich nicht einfach so auf den Privatkundenmarkt übertragen.“

Dort liegt Acer vorn. Den gegenwärtigen Erfolg verdankt der Rechnerspezialist einer Rosskur, die Shih seinem Unternehmen 2000 verordnet hatte. Durch Nachfragerückgang, ineffiziente Produktion und Vertriebsprobleme steckte Acer tief in der Krise. Die Taiwaner produzierten nicht nur Rechner für den Vertrieb unter eigener Marke, sondern auch noch für andere Hersteller. Diesen Interessenkonflikt wollten große Auftraggeber wie IBM nicht mehr tolerieren und kündigten Acer die Abnahmeverträge.

In einem Befreiungsschlag spaltete Shih Acer in mehrere unabhängige Firmen auf. Die neue Freiheit geht so weit, dass die frühere Kommunikations- und Multimediasparte der Holding heute unter dem Markennamen Benq der (neuen) Acer direkte Konkurrenz macht. Die einst ebenfalls zum Konzern gehörende Rechnerfertigung ist nun Teil des Auftragsfertigers Wistron, der vorwiegend in China für andere PC-Marken Computer produziert. Acers Ausstieg aus der PC-Fertigung war auch ein Vorbild für den Verkauf der PC-Sparte von IBM.

Dank der Fokussierung aufs Kerngeschäft, der schlanken, vor allem auf den Vertrieb konzentrierten, Strukturen und flachen Hierarchien gilt Acer heute als führend in der Branche. Die Taiwaner lassen ihren regionalen Vertriebsmannschaften ungewöhnlich große Selbstständigkeit: Vergingen bei Acer zwischen der Konzeption der Ferrari-Notebooks in Europa und deren Produktionsstart in Asien nur wenige Wochen, müssen internationale Ableger anderer großer asiatischer PC-Produzenten oft noch weit länger warten, bevor in ihren Zentralen überhaupt über das Produkt entschieden wird.

„Die haben das indirekte Geschäft, also den Computervertrieb über Handelspartner, in den vergangenen Jahren nahezu perfektioniert“, lobt IDC-Analyst Brown. „Wenn man von Dell absieht, die mit fast 17 Prozent Marktanteil und ihrem Fokus auf den Direktvertrieb in einer eigenen Liga spielen, ist kein PC-Hersteller so schnell und dynamisch unterwegs wie Acer.“

Mitverantwortlich dafür ist Gianfranco Lanci. Der Europa-Chef rückt Anfang 2005 als Präsident in die Spitze des Computerkonzerns auf, wenn sich Gründer Shih zurückzieht. Das Europa-Geschäft liefert rund 60 Prozent vom Umsatz und trägt 50 Prozent zum Konzerngewinn bei. Auch das 1999 wegen Erfolglosigkeit aufgegebene USA-Geschäft, in das Acer unter Lancis Führung 2003 wieder einstieg, wächst – auf niedrigem Niveau – rasant. Bereits Ende November erreichte Acer mit mehr als sechs Milliarden Dollar die ursprüngliche Umsatzprognose für das Gesamtjahr 2004.

Keine schlechten Aussichten, dass Lanci Lenovo-Chef Liu kräftig wird zusetzen können. Ausgerechnet in der Branchenflaute der vergangenen zwei Jahre hat Acer seinen Marktanteil deutlich schneller ausbauen können als Lenovo oder sogar Dell.

Diese Dynamik in Acers Europa-Geschäft muss Lanci nun auf den Gesamtkonzern übertragen. Schließlich rechnen Marktforscher wie Brian Gammage von Gartner damit, dass der PC-Verkauf zwischen 2006 und 2008 jährlich nur noch um sechs Prozent wächst – und damit nur noch halb so stark wie zwischen 2003 und 2005.

Deshalb erweitert Lanci die Produktpalette. Neben Computern, Monitoren und Videobeamern will er auch andere elektronische Geräte anbieten, darunter digitale Fotoapparate und Flachfernseher. Hier muss sich Acer allerdings mit Giganten wie Sony oder Samsung auseinandersetzen – ohne mit deren Image mithalten zu können.

Lanci schreckt das nicht. Die ersten Flachfernseher will er in Deutschland Anfang 2005 in den Handel bringen. Eine Ferrari-Edition sei noch nicht geplant, sagt Lanci, „aber die Idee ist verlockend“.

ZDNet.de Redaktion

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