Auf den deutschen Autobahnen müssen alle schweren Lastwagen von diesem Samstag an eine Benutzungsgebühr zahlen. Zum Jahreswechsel wird auf dem 12.000 Kilometer umfassenden Autobahnnetz das satellitengestützte Mautsystem in Betrieb genommen.
Das Mautsystem geht am 1. Januar um Punkt Mitternacht in Betrieb. Alle Lkw mit einem Gewicht von mehr als zwölf Tonnen müssen dann eine streckenabhängige Gebühr bezahlen, wenn sie auf der Autobahn unterwegs sind. Sie beträgt im Schnitt 12,4 Cent pro Kilometer. Allerdings wird der Schwerverkehr nur langsam anrollen. Wegen des Fahrverbots an Sonn- und Feiertagen dürfen die meisten Lkw erst am 2. Januar um 22.00 Uhr starten. Weil viele Speditionen noch in den Weihnachtsferien sind, wird erst einige Tage später mit Hochbetrieb gerechnet.
In der Anfangsphase werden trotzdem lange Staus erwartet. Grund dafür ist, dass erst 300.000 Lkw mit automatischen Erfassungsgeräten ausgestattet sind. Ziel des Betreiberkonsortiums Toll Collect war ursprünglich, mit mindestens 500.000 solcher On Board Units (OBUs) zu starten. Alle Lkw ohne OBU müssen sich über das Internet oder die 3700 Kassenautomaten einbuchen, die bundesweit an Tankstätten, Raststätten und Grenzübergängen stehen.
Sorge bereitet vor allem, dass von den Hunderttausenden ausländischen Lkw, die regelmäßig in Deutschland unterwegs sind, erst 75.000 mit einer OBU ausgestattet sind. Deshalb wird befürchtet, dass es vor allem an Grenzübergängen zu Staus kommen wird. Als kritische Punkte gelten beispielsweise die Übergänge Kehl nach Frankreich, Frankfurt (Oder) nach Polen und Kiefersfelden nach Österreich. Als „Mautberater“ sind bei Toll Collect in den ersten Januar-Wochen mehr als 5000 Helfer im Einsatz.
Auf Anweisung von Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) sollen alle Mautpreller von Anfang an streng verfolgt werden. Die Kontrolle erfolgt zum einen über die 300 Kontrollbrücken, die die Autobahnen überspannen, sowie über 280 mobile Teams des Bundesamts für Güterverkehr (BAG). Wer ohne OBU oder Quittung angetroffen wird, muss zusätzlich zur Maut mindestens 75 Euro bezahlen. Im Wiederholungsfall sind Strafen bis zu 20.000 Euro möglich.
Der Bund erhofft sich durch die Maut allein im kommenden Jahr Einnahmen von rund drei Milliarden Euro. Davon müssen 600 Millionen Euro für die Betreiber- und Kontrollgebühren abgezogen werden. Der Rest soll ausschließlich für Verkehrsinvestitionen ausgegeben werden. Wegen der verspäteten Einführung der Maut streiten sich der Bund und das Betreiberkonsortium derzeit um Vertragsstrafen und Schadenersatz in Höhe von gut 4,6 Milliarden Euro. Ein Schiedsgericht unter Leitung von Bundesgerichtshofs-Präsident Günter Hirsch soll entscheiden. Die Entwicklung des Mautsystems – eine Kombination aus Mobilfunk und Global Positioning System (GPS) – hat Toll Collect bereits mehr als eine Milliarde Euro gekostet. In Deutschland wird das Konsortium deshalb auf absehbare Zeit keine Gewinne machen. Die Konsortialpartner sind deshalb darauf angewiesen, dass das Mautsystem ins Ausland verkauft wird. Als Interessenten gelten beispielsweise Großbritannien, Tschechien und die Benelux-Länder.
Entwickelt wurde das weltweit einmalige Projekt vom einem Konsortium um die Konzerne Daimler Chrysler und Deutsche Telekom. Wegen zahlreicher technischer Schwierigkeiten startet die Maut erst mit 16 Monaten Verspätung. Dem Bund entgingen dadurch Einnahmen in Milliardenhöhe.
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