Der Internet-Dienstleister AOL Deutschland rechnet künftig nur mit geringem Zuwachs beim Neukundengeschäft. Der Bedarf an Internet-Anschlüssen sei in Deutschland weitgehend gedeckt, die Nachfrage steige nur noch langsam, sagte AOL-Deutschlandchef Stan Laurent im Gespräch mit dem „Handelsblatt“. Die Zahl der deutschen AOL-Kunden mit klassischem Modem-Zugang sei im vergangenen Jahr weiter geschrumpft. Durch das Wachstum im Breitbandbereich werde sie allerdings leicht überkompensiert, so dass die Gesamtkundenzahl des Internet-Anbieters bei 2,8 Millionen stagniere.
Als Konsequenz dieser Entwicklung wird sich die deutsche Online-Tochter des amerikanischen Medienkonzerns Time Warner noch stärker als zuvor auf das Geschäft mit Breitbandanschlüssen und bezahlten Internet-Diensten konzentrieren. Sobald wie möglich will das Unternehmen in den Markt der Internet-Telefonie einsteigen. Den Schritt hatte AOL schon länger angekündigt. Auf Grund hoher Anforderungen der Regulierungsbehörde sei er aber nach hinten verschoben worden, sagt Laurent.
Im kommenden Jahr will AOL Deutschland außerdem verschiedene Geräte online anbieten. Zum Start sollen es Adapter und Telefone sein. In Kooperation mit Industrie- Partnern will AOL dann auch Hardware-Produkte wie zum Beispiel MP3-Player verkaufen – und damit den Absatz von Internet-Diensten wie dem Musikdownload-Service fördern: „Bei bezahlten Diensten kann man ganz andere Margen erzielen, als mit Internet-Zugängen“, sagt AOL-Chef Stan Laurent.
In Sachen Breitbandtechnologie gilt AOL als Spätstarter. Erst im Laufe des Jahres 2003 hatte Time-Warner-Chef Richard Parson dem defizitären Online-Dienst den Strategiewechsel verordnet. Die Zahl der deutschen Breitband-Kunden steigt zwar nach AOL-Angaben an. Mit etwas mehr als 600 000 Breitband-Kunden liegt das Unternehmen aber noch weit hinter dem Konkurrenten T-Online und seinen 2,9 Millionen DSL-Abonnenten. Auch in der Internet-Telefonie waren andere schneller. Die Internet-Dienstleister Freenet, Sipgate und Web.de haben gerade ihre Netze zusammen geschaltet und zählen knapp 200 000 Nutzer.
Im Markt wird die AOL-Strategie, sich beim Wachstum auf die „Paid Services“ zu konzentrieren, unterschiedlich bewertet: „Der Internet-Nutzer wird mehr wert, wenn er sich zum Käufer entwickelt“, sagt Susanne Fittkau, Geschäftsführerin des Internet-Marktforschungsunternehmens Fittkau & Maaß. „Im Unterschied zu den USA dauert es in Deutschland sehr lange, bis die Kunden neue Dienste annehmen“, bremst dagegen Kevin Moore, Chef der Multimedia-Personalberatung Management One, überzogene Hoffnungen.
Dank gestiegener Online-Werbeeinnahmen und der wachsenden Zahl von Breitband-Abonnenten arbeitet AOL Deutschland seit dem vergangenen Jahr aber profitabel und hat den Gewinn in diesem Jahr nach eigenen Angaben verdreifacht. Details nennt das Unternehmen allerdings nicht. „AOL ist mit seinen 600 000 DSL-Kunden recht gut aufgestellt. Außerdem greifen die harten Sparmaßnahmen der vergangenen Jahre“, urteilt ein Branchenkenner.
Allerdings bewegt sich der Gewinn des Internet-Dienstleisters nach Schätzungen von Analysten weiterhin auf einem niedrigen Niveau. Zum Vergleich: Der börsennotierte deutsche AOL-Konkurrent Freenet weist für die ersten neun Monate 2004 einen Umsatz von rund 350 Millionen Euro und ein Konzernergebnis von rund 46 Millionen Euro aus.
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