Der Kampf um das Wohnzimmer geht in die nächste Runde. Die kommende Spielekonsole von Microsoft wird hochauflösende Grafik besitzen und mehr als einen Terraflop Rechenleistung erbringen. Das ist ein Mehrfaches der Leistung aktueller Hochleistungs-PC. Die Multicore-Prozessor-Architektur des Nachfolgers der knapp 20 Millionen mal verkauften „X-Box“ wurde zusammen mit IBM entwickelt, erklärte Jay Allard zuständiger Corporate Vice President auf der Game Developers Conference in San Francisco. Wann und zu welchem Preis die Konsole in den Markt kommen soll, wurde nicht bekanntgegeben.
Der größte Konkurrent, Sony Computer Entertainment, wird allerdings spätestens zur weltgrößten Branchenmesse E3 im Mai in Los Angeles den Nachfolger der über 80 Milionen mal verkaufen, legendären „Playstation 2“ vorstellen. Im Februar hatte Sony Details seiner neuen Prozessorarchitektur „Cell“ vorgestellt, die ebenfalls die Leistungsfähigkeit moderner PC um Längen übertrifft. Sony hat Cell zusammen mit Toshiba und ebenfalls IBM entwickelt.
Microsoft vollzieht angesichts der digitalen Aufrüstung im Sony-Lager mit der neuen X-Box – die noch keinen offiziellen Namen hat – technologisch einen drastischen Schwenk im Vergleich zur alten Spielekonsole, die sehr stark an PC-Technologie angelehnt war. Sie wurde noch durch einen Intel-Pentium Prozessor (mit 600 Mhz) angetrieben und hatte einen nVidia-Grafikchip. Der kommende Grafikchip wurde zusammen mit dem nVidia-Konkurrenten ATI entwickelt. Erhalten bleiben soll die Programmierung in Anlehnung an Windows-Standards wie die Grafikschnittstelle Direct-X.
Mit der neuen Spielekonsole will Microsoft auch den Bereich Online-Gaming weiter ausbauen. Wichtige Funktionen der Online-Plattform X-Box-Live sollen bereits in der Hardware bereitgestellt werden, so dass sich die Spieleprogrammierer darum nicht mehr kümmern müssen. Über Micro-Payment-Systeme soll zum Beispiel der direkte Kauf von Spielen oder Zubehör ohne Umweg über externe E-Commerce-Anbieter möglich werden.
Auch ein „Marktplatz“ soll auf der Online-Plattform eingerichtet werden. Auf diesem Marktplatz kann für jedes Spiel, jedes Genre sowie für eine Reihe anderer Möglichkeiten durchsucht werden und bietet die Möglichkeit, neue Spielelevel, Karten, Ausrüstungen, Fahrzeuge oder Erweiterungen von anderen Spielern zu kaufen. Bislang floriert das Geschäft zum Beispiel mit fertig ausgebildeten Charakteren eines Spiels (dann muss der Spieler sich nicht mühsam „hocharbeiten“) vor allem auf Onlinebörsen wie Ebay.
Welche Ausmaße so etwas annehmen kann, zeigt eine Meldung von Ende Dezember. Die britische BBC berichtete, dass ein Online-Spieler eine digitale „Insel“ auf der Landkarte des Online-Rollenspiels „Project Entropia“ für 26 500 Dollar gekauft habe. Er hat jetzt das Recht, die „Insel“ komplett oder in Teilen weiter zu verkaufen oder zu vermieten. Da bereits mehr als 200 000 Spieler angemeldet sein sollen und der Platz auf den Servern (also die „Landmasse“ des Spiels) wohl zumindest auf absehbare Zeit nicht vergrößert werden soll, eine waschechte und sicherlich hochriskante digitale Immobilienspekulation.
Mit der neuen Konsolenarchitektur baut Microsoft auch ein zweites Standbein neben der bisherigen PC-Allianz Intel/Windows auf. Die neue Prozessorgeneration könnte – wie Sonys Cell-Prozessor – zu einer Basis für weitere Multimedia-Produkte wie Heim-Server oder HD-TV-Geräte mit Multimedia-Prozessoren werden. „Microsoft Windows und Xbox-Plattformen werden völlig neue Spielerfahrungen im HD-Zeitalter bieten“, so Allard. Der Videospielemarkt wird – Hardware und Software zusammen auf weltweit über 20 Mrd. Dollar geschätzt. 2003 hat die Videospieleindustrie in den USA erstmals gemessen an den Umsätzen die Kinoeinnahmen der Hollywood-Studios übertroffen.
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