CeBIT: Unübersichtlicher Optimismus

Der auffälligste Trend war definitiv die Konvergenz von Unterhaltungselektronik und IT, die sich vor allem auf zwei Feldern zeigte: Handys und digitale Wohnzimmer. In Halle 3 war es so laut, dass Sony bei Präsentationen schlauerweise Kopfhörer an die Teilnehmern verteilte. Orientiert man sich an den CeBIT-Ständen, dann werden unsere Wohnzimmer bald von riesigen TV-Geräten im Edelstahl-Design dominiert. Gemütlichkeit kommt da kaum auf, abgesehen davon, dass die wenigsten Drei-Zimmer-Wohnungen für solche auf Gruppen-Erlebnisse ausgerichteten High-Tech-Landschaften ausgelegt sind. Von den Kosten für einfache Lohnempfänger ganz schweigen.

Was die Handys betrifft, so wollen die Redakteure der VDI-Nachrichten 110 neue Geräte entdeckt haben. Vermutlich zählen sie dabei auch die rund 40 Geräte mit, die vor einem Monat in Cannes auf der 3GSM vorgestellt wurden. Die Zahl relativiert sich auch, wenn man bedenkt dass einige der Modelle nicht für den hiesigen Markt gedacht sind. Insbesondere teure UMTS-Geräte sind in Asien, speziell Japan besser abzusetzen als hier zu Lande. Hinzu kommt, dass die Modellvielfalt sich auch durch die Aufspaltung des Marktes ergibt. So werden den Konsumenten wahlweise preiswerter, schicke aber funktionsarme Geräte (z. B. Sagem) angeboten, aber auch breitbandige High-Tech-Spielzeuge mit Kameras, Musik-Download, Fernsehprogrammen und mehr. Geschäftsleute ködert die Branche nicht mit teurer Breitband-Technik, sondern mit Business-Handys ohne Kamera aber dafür mit E-Mail- und Office-Funktionen, vor allem aber mit den trendigen E-Mail-Blackberrys von RIM. PDA-Anbieter Palm hält mit dem Treo 650 und Partner-Geräten etwas von Hagenuk dagegen. Aber auch so ein Gerät kostet ganz ohne UMTS rund 800 Euro. Zudem wollen die Mobilfunker (Ausnahme Vodafone) Schritt für Schritt die Gerätesubvention abbauen. Und UMTS-Dienste sind teuer. Unternehmen werden kaum einsteigen, wenn es auch anders geht und die meisten Eltern dem Musik-Download ihrer Kids klare Grenzen setzen.


„Lichtschwerter“ von Big Blue

Das Angebot für Digital Lifestyle war auf der CeBIT durchaus faszinierend, die Verlockung groß. In vielen auch europäischen Ländern sind die Rahmenbedingungen für einen Erfolg gar nicht so schlecht. Ob sich jedoch in einem Land mit über 5 Millionen Arbeitslosen ausreichend Käufer für die Geräte finden, bleibt fraglich.

Aus ganz anderen Gründen stellen sich bei der Automatisierung der Rechenzentren gemischte Gefühle ein. Big Blue machte in Hannover nicht mehr viel Rummel um seine On Demand Computing genannte RZ-Optimierung, und tritt mit Visualisierungskonzepten für Server und Speicher deutlich leiser auf. Derweilen streikten in Hannover die vom beschlossenen Stellenabbau im Diensleistungsbereich betroffenen Mitarbeiter. Hewlett-Packard, eigentlich nur als Gast auf dem CeBIT-Stand der SAP in Halle 4 vertreten, sorgte mit einer pragmatischen Cluster-Lösung für die ERP-Software der Walldorfer für Aufsehen. Das ambitionierte Utility Data Center (UDC) musste dagegen schon vor Monaten abgekündigt werden, weil es den Kunden zu teuer war. Nun bäckt das Unternehmen offensichtlich kleinere Brötchen und nähert sich dem Kurs an, den Fujitsu Siemens unter den Bezeichnungen Dynamic Data Center, Triole oder manchmal auch hochtrabend Grid fährt. Die Münchner stellen eine ganze Palette entsprechender Produkte aus. Mitbewerber Sun dagegen beeindruckt das Publikum mit einer Vision von Grid-Dienstleistungs-Rechenzentren, die Rechenleistung und Speicher zu Billigpreisen anbieten. Am verblüffendsten ist vielleicht die Person, die den Blick in die Wahrsagerkugel wagt. Robert Youngjohns ist nicht nur Executive Vice-President Strategic Development, sondern auch für die Finanzen zuständig. Er sieht hier einen völlig neuen Dienstleisungsmarkt entstehen. Man wünscht ihm, dass er Recht hat, fürchtet aber gleichzeitig, dass Sun diese Morgendämmerung nicht erlebt, weil entweder das Geld für die enormen Entwicklungskosten ausgeht oder sich niemand auf ein Konzept einlassen will, dass so ausschließlich von den Techniken eines Anbieters abhängt.

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ZDNet.de Redaktion

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