ZDNet: Herr Kracke, Voice over IP war eines der heißesten Themen der diesjährigen CeBIT. Die Nutzerzahlen in diesem Bereich explodieren seit Monaten. Glauben Sie als ein Vertreter eines Konzerns, der Telekommunikationsunternehmen die entsprechende Technik verkauft, dass das Thema von den klassischen Telcos unterschätzt wird?
Kracke: Ich war kürzlich zu einem Forum der EU nach Brüssel eingeladen, an dem haben Vertreter von Regulierungsbehörden und großen Telekoms teilgenommen. Das große Thema dabei war Voice over IP. VoIP im Consumer-Bereich wurde dabei unter kommerziellen Gesichtspunkten behandelt, also unter dem Vorzeichen der Abschreibung. Generell wurde klar: Die Großen der Branche werden erst zum Voice-Switching (VoIP) migrieren, sobald sie ihre bisherigen Investitionen herein geholt haben. Eine große deutsche Telekom etwa hat noch ihre ISDN-Infrastruktur abzuschreiben, erst dann kann sie VoIP anbieten
ZDNet: Das mit der Abschreibung müssen Sie uns näher erklären.
Jörg Kracke, 3com Geschäftsführer D, A, CH |
Kracke: Sie kennen doch das herkömmliche ISDN-Netz, mit dem die Telekom im privaten Umfeld Telephonie anbietet. Wenn Sie heute DSL bestellen, bekommen Sie automatisch einen Telefonanschluß mitgeliefert. Ob Sie das wollen oder nicht. Aber die herkömmlichen Carrier müssen ihre getätigten Investitionen im Bereich Leitungsvermittlung beziehungsweise ISDN abschreiben. Das Ergebnis ist, dass diese Carrier einer Innovation wie VoIP reserviert gegenüber stehen, da sie zunächst am Verkauf von Anschlüssen interessiert sind.
Allerdings gibt es eine ganze Menge alternativer Carrier, die sehr viel schneller und flexibler reagieren. Die erneuern Ihre IP-Infrastruktur und bringen damit das Thema VoIP heute schon zum Endkunden. Diese alternativen Carrier haben den Vorteil, in der Vergangenheit getätigte Investitionen nicht amortisieren zu müssen.
ZDNet: Die Telekom verzögert also die Einführung von VoIP, um ihre früheren Investitionen abschreiben zu können?
Kracke: Genau so sieht die Falle aus, in der die Telekom gerade sitzt. Allerdings handelt es sich um eine komfortable Falle, in der ich durchaus auch gerne sitzen würde. Denn letztendlich verlieren sie nicht. Für Privatanwender und Business-User bedeutet dies jedoch eine verzögerte Einführung von Konvergenz/VoIP.
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