EU gegen E-Mail-Kontrolle am Arbeitsplatz

Nach den Vorstellungen der EU soll in Zukunft eine „Routineüberwachung“ individueller E-Mails oder der Internetnutzung von Arbeitnehmern verboten werden, ebenso die Kontrolle ausdrücklich als privat gekennzeichneter Inhalte, gleichgültig ob die private E-Mail-Nutzung erlaubt oder untersagt ist. Diese Pläne treffen auf den Widerstand namhafter Juristen. „Die Pläne der Europäischen Union sind eine Zeitbombe sowohl für mittelständische als auch für größere Unternehmen. Sie sollten schnellstens entschärft werden“, kommentiert der Bonner Rechtsanwalt Marcus Mingers von der Kanzlei Mingers & Land.

Bei der Online-Nutzung am Arbeitsplatz ist Missbrauch oft Tür und Tor geöffnet. Arbeitgeber könnten aber sogar weitestgehend schutzlos dastehen, wenn die Überlegungen der EU-Kommission Wirklichkeit werden, kritisieren Juristen. Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder einer Aktiengesellschaft und Geschäftsführer einer GmbH sind zunehmend mit einem persönlichen Haftungsrisiko konfrontiert.

Nach dem so genannten „KonTraG“, dem „Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich“, muss der Vorstand geeignete Maßnahmen treffen, um frühzeitig Entwicklungen zu erkennen, die den Fortbestand der Gesellschaft gefährden könnten. „Zu dem geforderten Risiko-Management zählen zweifellos auch präventive Maßnahmen gegen eine rechtsmissbräuchliche Online-Nutzung durch Mitarbeiter“, schreibt Dirk-M. Barthon, Professor für Wirtschafts- und Medienrecht an der Universität Paderborn, in einem Beitrag für „Der Arbeitgeber“, das zentrale Monatsmagazin der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA).

„Professor Barthon hat Recht: Es träte eine existenzbedrohende Situation ein, wenn beispielsweise Betriebsgeheimnisse wie Konstruktionspläne, Kostenkalkulationen oder sogar Informationen über neue Produkte versehentlich oder gar bewusst ins Netz gelangen und dem Arbeitgeber dann die Hände gebunden sind bei der Gefahrenabwehr. So kann er seinen Pflichten aus dem KonTraG nicht nachkommen“, pflichtet Mingers dem Bonner Jura-Professor bei.

Beim derzeitigen Risikomanagement und Controlling nutzen viele deutsche Unternehmen entsprechende Filtertechnologien, um die Internetaktivitäten von Mitarbeitern sowie ein- und ausgehende E-Mails zu überwachen. Diese Filtertechniken ermöglichen es, zum Beispiel E-Mail-Anhänge mit verdächtigen Inhalten zu blockieren oder zu garantieren, dass vertrauliche Dokumente nur verschlüsselt versendet werden können.

Offensichtlich werde in dem maßgeblichen Papier der Kommission davon ausgegangen, dass der Einsatz solcher Technologien den Arbeitnehmer in seinem Persönlichkeitsrecht nachhaltig beeinträchtigt, schreibt der Wirtschafts- und Medienrechtler Barthon. „Arbeitnehmerrechte sollten geschützt und gewahrt werden. Dies darf aber nicht einseitig zu Lasten des Arbeitgebers gehen. Wenn es genügt, E-Mails lediglich als privat zu deklarieren, um sie damit jeglicher Kontrolle einfach zu entziehen, dann ist die Gefahr des Missbrauchs groß. Die EU-Pläne würden den Arbeitgeber dann praktisch entmündigen“, warnt Mingers.

ZDNet.de Redaktion

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