Mit dem Plan, den Computerriesen zu einem Strategieberater umzubauen, geht IBM-Chef Sam Palmisano beträchtliche Risiken ein. Kleinlaute Töne beim weltgrößten Computerkonzern: „Es lag an uns“, sagte Sam Palmisano zerknirscht. „Wir waren nicht in der Lage, mehr Verträge abzuschließen.“ Das war Mitte April, als der IBM-Chef schwache Zahlen fürs erste Quartal vorlegte. Zwei Wochen später wurde er auf der Hauptversammlung in South Carolina noch deutlicher: IBM werde zu „aggressiven Mitteln“ greifen, um die „zum großen Teil selbst verschuldeten Probleme“ zu beseitigen.
Seit wenigen Tagen ist klar, dass Palmisano seinen Aktionären im Charleston Area Convention Center keine leeren Worthülsen zugeworfen hat. Weltweit will er in den kommenden Monaten bis zu 13.000 Stellen streichen, mindestens 60 Prozent davon in Europa. Nach Schätzung der Dienstleistungsgesellschaft Verdi sind allein in Deutschland bis zu 2500 Jobs bedroht – rund zehn Prozent der hiesigen Belegschaft. Die IBM-Europazentrale in Paris soll weit gehend geschliffen und deren Aufgaben auf zwei kleinere Einheiten in Madrid und Zürich verteilt werden.
Eine so drastische Rosskur als Reaktion auf einen kleinen Stolperer bei Quartalszahlen? Oder ist IBM derart ins Taumeln geraten, dass eine Bruchlandung droht? Der Aktienkurs gab auf Grund der Quartalszahlen um 8,3 Prozent nach, nach den jüngsten Einbrüchen bei US-Börsenriesen wie General Motors oder Ford schmierte mit IBM schon das dritte Wall-Street-Schwergewicht ab. Bereits in den Wochen zuvor hatte der IBM-Kurs stark nachgegeben, nun stand mit 72 Dollar der niedrigste Wert seit mehr als zwei Jahren an der Tafel. Verlust seit Jahresbeginn: über 20 Prozent, 40 Milliarden Dollar Börsenwert vernichtet. Selbst der angekündigte Stellenabbau, der pro Jahr rund eine Milliarde Dollar sparen soll, löste keine Jubelstimmung aus.
Die panikartige Flucht aus der Aktie ist Ausdruck eines tiefen Vertrauensverlusts: „Die IT-Welt verändert sich schneller als sich IBM verändert“, sagt Mark Stahlman, Analyst der Investmentbank Caris & Co – und bei IBM einst in Beraterdiensten. Der Konzern hat ein doppeltes Problem mit der Sparte, die ihm künftig den Löwenanteil von Gewinnen und Wachstum liefern soll: mit dem Dienstleistungs-Geschäft, das 2004 schon knapp die Hälfte zum IBM-Umsatz beisteuerte. Doch das Wachstum der Sparte lahmt – und besonders schmerzlich kommt hinzu, dass gerade im Service-Geschäft die Margen zurückgehen. Auf den Ertragsschwund kann Palmisano mit Stellenabbau reagieren. Weit schwieriger ist die Frage: Woher soll im umkämpften Service-Markt, zwischen Strategieberatern wie McKinsey und Technologiedienstleistern aus Billiglohnländern wie Indien, das Wachstum kommen?
Brisant ist das Bündel an Problemen mit der Service-Sparte, weil die konzentration auf dieses Geschäft IBM vor gut einem Jahrzehnt gerettet hat. Palmisanos Vorgänger Lou Gerstner hatte nach IBMs Beinahe-Pleite 1992 begonnen, den Computerkonzern Schritt für Schritt unabhängig zu machen vom traditionellen Hardware-Geschäft. IBM ist eigentlich die Abkürzung von International Business Machines, der Konzern ist bekannt für seine sündhaft teuren Hochleistungsrechner, mit denen Unternehmen rund um den Globus ihre Rechenzentren bestücken. Doch IBM drohte damals den Trend zu kleineren, flexibleren Computereinheiten zu verschlafen. Hinzu kam: Die Rechenknechte entwickelten sich immer mehr zum Massenprodukt, den Rivalen wie Dell billiger liefern konnten.
Um dem mörderischen Wettbewerb bei den grauen Kisten zu entgehen, verlegte sich Gerstner auf das Geschäft der produktbegleitenden Dienstleistungen wie den Betrieb von Rechenzentren für die Kunden oder die Übernahme kompletter IT-Abteilungen im Zuge so genannter Outsourcing-Vereinbarungen. Dieses Modell war über die Jahre ebenso erfolgreich wie lukrativ.
Mit IBMs Erfolg kamen die Nachahmer: Neue, aggressive Konkurrenten verschärfen an fast allen Fronten den Wettbewerb. Vor allem indische Anbieter wie Wipro Technologies oder Tata Consultancy Services spannen den amerikanischen Outsourcing-Giganten IBM, EDS und Accenture mit Kampfpreisen große Kunden aus. Der Trend schlägt sich bereits deutlich in Palmisanos Auftragsbüchern nieder. So fällt es dem Konzern immer schwerer, große Verträge an Land zu ziehen oder zu verlängern. Konnte IBM 2003 noch für 55,5 Milliarden Dollar Abschlüsse feiern, stürzte der Wert 2004 auf 43,1 Milliarden ab.
Um den drohenden Einbruch im Brot- und Butter-Geschäft IT-Outsourcing auszugleichen, sucht Palmisano sein Heil nun in höherwertigen Dienstleistungen, die bessere Margen und mehr Wachstum versprechen. Er will auch jenseits des IT-Managements die Abwicklung ganzer Geschäftsprozesse im Kundenauftrag übernehmen, etwa Personalverwaltung oder Buchhaltung. Business Process Transformation Services nennt IBM das. Palmisano geht davon aus, dass es weltweit ein Umsatzpotenzial von 500 Milliarden Dollar für diese Art von Service gibt. Theoretisch. Die Marktforschungsfirma Gartner schätzt den Markt in diesem Jahr auf 134 Milliarden Dollar, bei einem Wachstum von acht Prozent.
IBM hat kein Alleinvertretungsrecht auf diese Dientleistungen. Denn hier gerät IBM zwangsläufig immer öfter etablierten Beratungsgesellschaften wie Accenture in die Quere, die bisher oft als Partner bei großen Projekten agierten: IBM lieferte Hardware und implementierte sie, die Berater von Accenture justierten und optimierten die Prozesse.
Zum anderem soll IBM, so Palmisanos neue Lesart, endlich mit Strategieberatern wie McKinsey oder Boston Consulting gleichziehen, die ihren Kunden dabei helfen, IT als strategischen Wachstumshebel einzusetzen. Auch solche Beratung verspricht höhere Margen als der bloße Betrieb von Rechenzentren. Um das Geschäft zu pushen, hatte IBM 2002 für 3,5 Milliarden Dollar die Consulting-Sparte des Beratungshauses PricewaterhouseCoopers (PwCC) übernommen.
Doch die Integration der kulturell unterschiedlichen Mannschaften in der IBM-Sparte Business Consulting Services (BCS) verlief – vor allem in Europa und speziell in Deutschland – alles andere als reibungslos. Zwar hat sich das Geschäft in » Deutschland von dem Einbruch nach dem Zusammenschluss erholt. Doch auch wenn Martin Jetter, seit Februar 2004 Chef von BCS in Zentraleuropa, für 2005 wieder mit Wachstum rechnet: Quellen aus dem Unternehmen zufolge soll seine Truppe die internen Vorgaben zur Auslastung im ersten Quartal um 20 bis 30 Prozent verfehlt haben. „Und im laufenden Quartal sieht es auch nicht viel besser aus“, warnt ein verantwortlichter IBM-Berater.
Kaum verwunderlich also, dass die Stimmung bei BCS gedrückt ist: „Die Motivation der Berater ist im Untergeschoss und man spürt schon die Erdwärme“, zürnt ein Consultant. Andere klagen über „überbordenden Bürokratie in der IBM-Organisation“, „massive Imageprobleme beim Kunden“ oder „mangelnde Wettbewerbsfähigkeit bei den Angeboten durch zu hohe Personalkosten“.
Dazu kommt: Drei Jahre nach dem PwC-Kauf aber haben „viele Leute immer noch nicht realisiert, dass IBM nicht nur Technologieberatung kann, sondern auch Business-Consulting“, sagt Chris Wall, Co-Kreativ-Direktor der Werbeagentur Ogilvy & Mather. Eine kürzlich gestartete weltweite Kampagne soll diesen Imagewandel zu „The other IBM“ unterstützen.
Der Nachbrenner fürs Beraterimage ist dringend notwendig. Denn IBM Global Services hat ein Profitabilitätsproblem. So war 2004 die Bruttomarge im Dienstleistungsbereich als einzigem der großen Umsatzträger bei IBM rückläufig. Dabei ist sie ohnehin schon die niedrigste des Gesamtkonzerns (siehe Grafik). Das wirft dunkle Schatten auf Palmisanos gesamte Zukunftsstrategie: Während das klassische Outsourcing weit gehend stagniert, kommt IBM mit den höherwertigen Dienste immer noch nicht aus den Startlöchern.
Weil auf der Ertragsseite derzeit wenig zu holen ist, muss Palmisano zwangsläufig die Kostenseite beschneiden. Als besondere Problemzone identifizierten die Controller Westeuropa. „Durch den Umbau wollen wir unser Geschäft von Ländern mit niedrigem Wachstum in dynamischere Regionen verlagern“, sagt IBM-Finanzvorstand Mark Loughridge. Der Umsatzschwund in Deutschland (minus 8 Prozent), in Italien (minus 7) und in Frankreich (minus 3) liefert die Begründung für den Stellenabbau um bis zu 13 000 Angestellte. Gleichzeitig soll die Europastruktur, die sich mit den zentral aus Paris geführten Niederlassungen als zu bürokratisch und unflexibel erwiesen hat, radikal umgebaut werden. Künftig steuern zwei kleinere Einheiten in Madrid und Zürich das Europageschäft. „Statt in Paris Management zu spielen, soll die mittlere Führungsebene nun zum Verkauf rausgehen“, sagt ein Arbeitnehmervertreter in Deutschland.
Überdies sollen einfache Service-Aufgaben, die bisher auf viele Standorte in Europa verteilt sind, künftig in zwei so genannten Integrated Delivery Centern im ungarischen Székesfehérvár und im tschechischen Brünn gebündelt werden. Erste Schritte: In Deutschland macht IBM die Standorte Hannover und Schweinfurt mit 580 Stellen bis Ende September dicht. 540 Jobs entfallen durch die Auflösung von fünf Niederlassungen in Schweden.
„IBM plant, Verantwortung und Entscheidungsbefugnisse auf Teams zu verlagern, die direkten Kundenkontakt haben und will dabei eine gesamte Managementebene eliminieren“, sagt Keith Bachman, Analyst von Banc of America Securities. Das ist offenbar auch dringend nötig. Wie stark der Wasserkopf bei IBM gewachsen ist, lässt sich in Zahlen ablesen: So kam IBM im vergangenen Geschäftsjahr auf einen Durchschnittsumsatz pro Mitarbeiter von nur 293.000 Dollar. Beim Wettbewerber Dell erzielt jeder Angestellte 891.000 Dollar, bei Hewlett-Packard 529.000 Dollar. „IBM hat schlicht zu viele Leute an zu vielen Niederlassungen“, sagt Ovum-Analyst Ian Wesley, dem der angekündigte Stellenabbau zu spät kommt. „IBM hätte das bereits im vergangenen Jahr durchziehen sollen.“
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