Telekombranche enthüllt nach Abschreibungen ihre Ertragskraft

Die europäische Telekommunikationsindustrie hat die Phase der tiefroten Zahlen hinter sich gelassen. Summierten sich im für die Branche düstersten Jahr 2002 die Nettoverluste der europäischen Telekomunternehmen noch auf 92 Milliarden Euro, steht zwei Jahre später ein Nettoprofit von knapp 16 Milliarden Euro unter dem Strich. Damit gehört die Branche zu den ertragsstärksten der europäischen Volkswirtschaften.

Aber was unterscheidet das Geschäft von Konzernen wie Deutscher Telekom, Telefónica und France Télécom heute von dem vor zwei Jahren? Die Antwort lautet: relativ wenig. Auf boomende Umsätze aus den inzwischen vielerorts in Betrieb genommen UMTS-Mobilfunknetzen warten die Anbieter noch immer vergeblich. Und auch die Zahl neuer Kunden im herkömmlichen Mobilfunkmarkt nimmt wegen der steigenden Marktsättigung in Kernmärkten wie Deutschland, Großbritannien und Italien immer weniger stark zu. Dazu kommt ein rapider Preisverfall für Sprachtelefonie im traditionellen Festnetzgeschäft, das für viele der Ex-Monopolisten noch immer eine der größten Umsatz- und Ertragssäulen ist.

Allein die explodierende Nachfrage nach schnellen DSL-Internetanschlüssen ist für die Telekomindustrie derzeit ein Wachstumsmarkt mit satten Margen. Der Massenmarkt für Breitbandinternet weckt bei den Anbietern Phantasien – etwa über Fernseh- und Radioempfang via Telefonleitung, der sich über längst bezahlte Doppelkupferadern in die Haushalte transportieren ließe. Damit blieben die Investitionen der Telekomanbieter begrenzt. Doch das alles ist ZUkunfstmusik und spielte für die Ergebnisse von 2004 noch keine Rolle.

Dass die europäische Telekomindustrie derzeit beim Vergleich der Kennzahlen so blendend dasteht, ist vor allem darauf zurückzuführen, dass es ihr nie so schlecht ging, wie die Zahlen glauben machten. Denn während die Börsenkurse nach dem Jahr 2000 in den Keller rauschten und milliardenhohe Schuldenberge die Diskussion bestimmten, blieb das operative Geschäft relativ stabil.

So sind es vor allem die enormen Abschreibungen auf immaterielle Vermögenswerte wie milliardenteure UMTS-Mobilfunklizenzen und Werte teuer zugekaufter Firmen, die in den vergangenen Jahren den Blick auf die eigentliche Lage der Branche verschleiert hat. Wie andere Telekomkonzerne griff die Deutsche Telekom 2002 zur Abschreibungskeule, strich auf einen Schlag 25 Milliarden Euro aus den Büchern und meldete einen Rekordverlust von 24,6 Milliarden Euro.

Nun lichtet sich der Nebel, und mancher reibt sich verwundert die Augen, dass dieselbe Deutsche Telekom 2004 einen Nettogewinn von 4,6 Milliarden Euro über die Ziellinie bringt und es sich zugleich zwei Jahre lang leisten kann, aus den laufenden Einnahmen pro Monat durchschnittlich eine Milliarden Euro Schulden abzubauen.

Das liegt vor allen daran, dass die Telekom wie die gesamte Branche in den vergangenen Jahren radikal die Investitionen zurückgefahren und sich strenge Sparprogramme verordnet hat. Dadurch stieg die finanzielle Ertragskraft (Free Cash-Flow) der Branche enorm an. So hat beispielsweise die Deutsche Telekom ihren freien Cash-Flow von 4,8 Milliarden Euro im Jahr 2002 auf 10,2 Milliarden Euro im vergangenen Jahr erhöht. Noch kräftiger fällt der Anstieg der frei verfügbaren Finanzierungsmittel bei den Mobilfunkanbietern aus: Vodafone hat den freien Cash-Flow in den vergangenen zwei Jahren auf 11,5 Milliarden Euro fast verdreifacht, der britische Mobilfunkkonzern O2 verzeichnet an Stelle von Finanzierungsmittelabflüssen von rund 1,6 Milliarden Euro inzwischen Zuflüsse von rund vier Milliarden Euro.

Und dieser Trend wird sich nach Einschätzung der Unternehmensberatung A.T. Kearney fortsetzen. Laut einer aktuellen Umfrage rechnen 53 Prozent der europäischen Telekommunikationsunternehmen in den nächsten fünf Jahren mit einer über dem Durchschnitt der Börsenmärkte liegenden Steigerung ihres freien Cash-Flows.

ZDNet.de Redaktion

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