Allerdings sollte man sich von den gewaltigen Zahlen nicht ins Bockshorn jagen lassen. So erreichen Fernsehen und Radio noch keineswegs jeden Ort des riesigen Landes. Um Telefonieren zu können, muss man sogar in einer Stadt leben. Dafür gehört das Netz allerdings zu den modernsten der Welt.
Für China selbst birgt das rasante Wachstum durchaus auf Gefahren. Die Versuche der Regierung, die gefährlich hohe Dynamik zu bremsen, ist – wie die jetzige Korrektur der Zahlen zeigt – nur bedingt gelungen. Auch die Aufwertung des Yuan konnte die Anziehungskraft chinesischer Produkte nicht verringern.
Als Produktionszentrale der gesamten industriellen Welt giert das Land nach Rohstoffen, Energie, hochqualifizierten Mitarbeitern und moderner Infrastruktur. Der Bau von Universitäten, Straßen, Flughäfen, Kernkraftwerken und Erdöl verschlingt enorme Summen. Das ungebremste Wachstum richtet gewaltige Umweltschäden an, die schon vor dem Chemie-Unfall in Harbin auf 200 Milliarden Dollar jährlich geschätzt werden. Die hektische Vergabe von Aufträgen fördert Korruption, und inzwischen klafft fast nirgendwo die soziale Schere weiter auseinander als in China. Schließlich haben auch die Venture-Kapitalisten und Private-Equity-Anleger das Land der Mitte entdeckt. Erste High-Tech-Firmen sind bereits an die New Yorker Technologiebörse Nasdaq geholt worden. Kurz: Es wird für die kommunistische Regierung immer schwieriger, die Entwicklung planwirtschaftlich zu steuern.
Hinzu kommt, dass der Westen chinesische Unternehmen zunehmend als Konkurrenten um Märkte, Arbeitnehmer und Ressourcen wahrnimmt. Immer mehr Konzerne machen sich Sorgen wegen des dramatischen Know-how-Transfers in das Land der Mitte – zumal dort das Bewusstsein für geistiges Eigentum nach wie vor nicht besonders ausgeprägt ist. EU, USA und Japan wollen nicht länger von der chinesischen Regierung gegeneinander ausspielen lassen und drängen daher öfter auf international einheitliche Spielregeln. Auch wächst im Westen langsam das Bewusstsein, dass die Produktionsverlagerung nach Fernost mit einem Kaufkraftverlust auf den heimischen Absatzmärkten einhergeht.
Insofern haben alle Seiten ein vitales Interesse daran, das explosive Wachstum des chinesischen Marktes in den kommenden Jahren zu bremsen. Es ist zu hoffen, dass dies gelingt, bevor dort wie hier soziale Verwerfungen den gesellschaftliche Frieden gefährden. Im Kreis der weltgrößten Wirtschaftsmächte ist China längst angekommen.
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