James Gosling über Java: „Manchmal muss man aussortieren“

ZDNet: Wird Java weiterhin eine Allzwecksprache und -plattform sein, oder ist es an der Zeit, dass sich Java auf den Mobil- oder den Serverbereich spezialisiert?

Gosling: In diesem Punkt gibt es eine Reihe von Widersprüchen. Auf der einen Seite wird man sehr leistungsfähig, wenn man sich spezialisiert. Auf der anderen Seite kann auch ein Allrounder sehr leistungsfähig sein. Denn: Er kann Komponenten miteinander verknüpfen und auf allen möglichen Plattformen laufen – was bisher eine unserer Stärken war.

Andererseits neigen viele dazu, sich auf die Technologien zu konzentrieren. Konzentriert man sich aber auf die Kompetenzen der Entwickler, glänzt die Java-Community doch dadurch, dass ein Entwickler Java lernen kann und dann in der Lage ist, an einem Anwendungsserver, einem Transaktionsserver, einem Netzprotokollgerät, einer Handy-Anwendung, einer Automations-Anwendung oder einer Smartcard-Anwendung zu arbeiten. So bekommt man äußerst mobile Kompetenzen, nicht nur eine mobile Technologie … Es ist seltsam – wenn man mit CIOs und CTOs spricht, dann stellt sich das letztendlich als ein richtig wichtiges Thema heraus.

ZDNet: Die Ruby-on-Rails-Leute sind begeistert, weil das Framework produktiv ist. Für andere bietet Java einfach nicht das gleiche Produktivitätslevel für die Webentwicklung. Warum warten wir noch immer darauf?

Gosling: Ich glaube, dass viele, die das sagen, noch kein einziges der High-End-Java-Tools ausprobiert haben. Die sollten sich wirklich Zeit nehmen und zum Beispiel den Java Studio Creator ausprobieren… Eines der interessanten Dinge an dieser Debatte ist, dass im Großen und Ganzen diejenigen, deren Stimme in den Medien zählt, die lautesten sind.

ZDNet: Entwickler scheinen sich gern den neuesten Trends anzuschließen. Möchten Sie, dass Java trendy ist?

Gosling: Vor acht oder neun Jahren war Java trendy. Inzwischen hat es einen Punkt erreicht, an dem es über das Trendy-Sein hinausgeht. Java ist eigentlich nicht mehr nur wie eine Sache, sondern eine Menge verschiedener Sachen.

J2EE (Serversoftware) zum Beispiel – die Software ist inzwischen fast zum Gegenteil von trendy geworden, total assimiliert und geschäftskritisch. Sie ist fast ein Muss für Unternehmen, hat sich in der Praxis hundertfach bewährt, und für viele ist sie zu einer vollkommen sicheren Sache geworden.

Das Ganze entwickelt sich in Phasen. Bestimmte Bereiche der Java-Welt sind inzwischen sehr trendy – dabei meine ich aber nicht trendy wie bei der neuesten Glitzer-Jeans-Mode, sondern trendy im Sinn von beliebt und aufregend. Auf jeden Fall trendy sind zum Beispiel die Handy-Entwicklung und Netbeans und Creator und auch viele der Tools und die vielen unterschiedlichen API-Stacks wie JAX-WS.

Bestimmte andere Bereiche sind einfach zeitlos. Sie sind zuverlässig und inzwischen genauso aufregend wie Abwasserreinigungsanlagen: Sie sind für einen da, wenn man sie braucht. Fallen sie aus, wird es richtig unangenehm.

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ZDNet.de Redaktion

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