Misstrauisch gegenüber dem Fußball-Rummel scheinen die Mitglieder des IT-Branchenverbands Bitkom zu sein. Die Betreiber von ITK-Unternehmen befürchten offensichtlich Produktivitätseinbrüche durch fernsehschauende oder nach den Ergebnissen surfende Mitarbeiter. Daher sah sich der Interessensverband dazu veranlasst, einen Leitfaden für dieses Phänomen herauszugeben. Dabei mahnen sie eine klare Regelung an, weil das Fehlen einer solchen dazu führen könnte, dass ein Gericht zugunsten des Arbeitnehmers entscheiden könnte. Dabei stehe doch einzig dem Arbeitgeber das Recht zu, die private Nutzung des Internet explizit zu gestatten.
Tatsächlich sind die meisten Unternehmer weit weniger ungemütlich, als der Bitkom argwöhnt, und haben sogar extra ein Fernsehgerät aufgestellt – zumal seit dem Ende der Vorrunde die Spiele erst um fünf Uhr beginnen. Der mögliche Produktionsausfall dürfte deutlich durch das Gemeinschaftserlebnis aufgewogen werden, wenn Chef und Mitarbeiter sich bei einem Tor um den Hals fallen. Selbst Konzerne wie Daimler-Chrysler haben die Zeichen der Zeit erkannt, und gaben ihren Mitarbeitern für das Halbfinalspiel gegen Italien frei – auch weil trotz Entlassungswellen nicht alle Kollegen in ein Fernsehzimmer passen.
Auf den globalen Fußball-Verbrüderungs-Effekt setzt auch die Politik, wenn sie gezielt Investoren ins Stadion holt, um bei Bier (ungeschickterweise Budweiser) und Toren den Standort Deutschland anzupreisen, oder zumindest persönliche Kontakte aufzubauen. Die Bundesregierung hat allein zum Spiel Italien-Deutschland rund 100 ausländische Investoren geladen.
Die meisten gesamtwirtschaftlichen Folgen der Weltmeisterschaft sind laut Neue Züricher Zeitung eher fragwürdig. Die Fußballfans aus aller Welt füllen zwar viele Hotels und Kneipen, vergraulen aber zugleich aber die Stammgäste und insbesondere gut betuchte Touristen, die in den anderen Jahren zum Bilden und Shoppen in die Städte wie Hamburg, Köln, Berlin und München reisen.
Der Mittelstand generell, so hat Microsoft in seinem Trendbarometer ermittelt, rechnet ebenfalls nur mit einer minimalen Geschäftsbelebung. Im Übrigen geht auch die Börse von besonders ruhigen Wochen aus, was, so kritisiert ein Analyst von ABN Amro, „dem Markt Liquidität entzieht“. Generell gilt, so hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) ermittelt, dass bislang noch keine Weltmeisterschaft dauerhafte wirtschaftliche Impulse geben konnte.
Das ändert allerdings nichts daran, dass die erfolgreiche deutsche Elf und das allgemeine Fußballfest eine optimistische Laune erzeugen, die es sich lohnt ins Wirtschaftsleben hinüberzuretten. Die Unternehmen mit Fernsehzimmer für ihre Mitarbeiter leisten hier wertvolle Motivationsarbeit.
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