Jboss und Red Hat: Anwender lehnen die Übernahme ab

Im April hat Red Hat mitgeteilt, den Spezialisten für Open-Source-Middleware Jboss übernehmen zu wollen. Die Börse reagierte umgehend mit einem massiven Kursanstieg: Das Papier legte um knapp neun Prozent zu und verfehlte die 30-Dollar-Marke nur knapp. Doch nach drei Monaten ist es an der Zeit zu fragen, wie Analysten, Partner und Kunden den Deal bewerten.

Für die beiden Blumenkinder der freien Software, Jboss und Red Hat, sieht der Aufkauf des Anbieters der Open-Source-Middleware „JBoss Enterprise Middleware Suite“ (Jems) durch den Linux-Distributor nach einer idealen Vermählung aus. Als jeweils die Nummer eins im jeweiligen Open-Source-Marktsegment teilten sich die Unternehmen einerseits die Vision freier Software, heißt es, und andererseits ergänze sich die Mitgift harmonisch zu einer kompletten Plattform für Service-orientierte Architekturen (SOAs). Die Verwandtschaft jedoch, in diesem Fall Kunden und so mancher Partner, verweigern das Einverständnis.

Denn erstens handelt es sich um keine Partnerschaft Gleichberechtigter. Jboss wurde von Red Hat geschluckt und ist mit seinen rund 150 Mitarbeitern nun eine Abteilung von Red Hat, weil der Linux-Distributor seine eigene Middleware nicht etablieren konnte. Jboss wiederum hatte keine Mittel, um in weitere Regionen zu wachsen und zugleich das Produktspektrum so auszubauen, dass es mit anderen SOA-Plattformen mithalten kann. „Wir brauchten Geld“, sagt Jboss-Gründer und -Chef Marc Fleury, jetzt Senior Vice President und Geschäftsführer der Red-Hat-Abteilung JBoss. „Ein Börsengang als Alternative zum Aufkauf hätte mindestens sechs Monate Vorbereitung gekostet. Das hätte viel zu lange gedauert.“ Zum Beispiel gibt es die Dokumentation jetzt erst in sechs Übersetzungen.

Zweitens ist das Ziel, einen kompletten SOA-Stack anzubieten, von vorneherein gescheitert. Die Kunden wollen die Red-Hat-Linux-Jboss-Jems-Integration schlichtweg nicht. So nutzen nur etwa 37 Prozent der Jboss-Kunden überhaupt eine der vielen Linux-Distributionen. 40 Prozent hingegen setzen Windows-Server ein. Auf der jüngst in Las Vegas stattgefundenen Anwender- und Entwickler-Konferenz „Jbossworld“ waren etwa 900 Besucher registriert, 400 mehr als im Vorjahr. Doch viele äußerten sich abwartend und waren gekommen, um sich über die Entwicklungen nach der Akquisition zu informieren. Der Tenor jedoch war eindeutig: Eine Produktintegration von Red-Hat-Linux und Jboss mag ja für den einen oder anderen ganz nett sein. Doch wir nutzen andere Systeme und andere Aufgaben sind weitaus dringender.

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ZDNet.de Redaktion

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