ZDNet: Welcher Antrieb steht Ihrer Ansicht nach hinter diesen Anwendungen? Ein Bedürfnis? Der Reiz des Neuen (wie im Falle der japanischen Roboter, die Sozialkontakt herstellen sollen)? Oder sind Menschen wie Sie die treibende Kraft, die hier ihr Interesse ausleben?
Thrun: Alle Punkte treffen zu. Es gibt in der Robotik viele verschiedene Antriebskräfte … die Menschen haben immer von Robotern geträumt und betrachten Roboter als etwas besonderes, als etwas anderes als andere Maschinen. So ist zum Beispiel eine Geschirrspülmaschine in gewissem Sinne ein Roboter, aber niemand käme darauf, dass ein Geschirrspüler ein Roboter sein könnte. Es gibt den Jahrzehnte alten Traum von einem Roboter, der uns gleicht. In der Robotik wird viel daran gearbeitet, unsere Probleme zu lösen, etwa beim Autofahren. Die Vorteile liegen auf der Hand. Ich glaube, dass der Roomba einer Mischung aus Neugier, modernster Technik und tatsächlichem Nutzwert entsprungen ist. Er ist nicht der beste Staubsauger der Welt, aber es ist schon unglaublich cool, einen Roboterstaubsauger zu besitzen.
Ein Extremfall in dieser Hinsicht ist der Aibo von Sony, der meiner Ansicht nach absichtlich keine Aufgabe erfüllte. Ich meine, dieser Roboter hatte keinen Verwendungszweck. Man kann nicht sagen, dass dieser Roboter eine praktische Aufgabe erfüllte, die zuvor nicht so gut erledigt werden konnte. Ich glaube, dass es sehr klug von Sony war, diesem Hund keine besondere Aufgabe zu geben. Er diente der Unterhaltung, der Faszination und dazu, Menschen darüber zum Reden zu bringen, wie der menschliche Erfahrungshorizont erweitert werden kann. Das Schöne an der Robotik ist, dass Manschen bei der Interaktion mit Robotern solch wunderbare Erlebnisse haben, die sie mit einer Geschirrspülmaschine nicht haben.
ZDNet: Wie wichtig ist es bei Robotern für den Privatgebrauch, ähnlich auszusehen und sich ähnlich zu bewegen wie die Menschen, die sie kaufen?
Thrun: Ich glaube, das dies zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch niemand sagen kann. Es gab schon viele Richtungen in der Robotik. Einige versuchen Roboter in der Hoffnung zu vermenschlichen, dass er dadurch interessanter wird. Andere gehen genau entgegengesetzt vor. Wenn ich beispielsweise an das selbstfahrende Auto denke, sehe ich darin eine Ergänzung des Menschen. Das Letzte, was ich will, ist etwas, das den Menschen nachahmt oder etwas tut, worin der Mensch bereits gut ist. Wenn es dann im Science-Fiction-Sinne nicht als Roboter erkennbar ist, ist das für mich kein Problem.
Ich denke, dass wir letztendlich sehen müssen, ob es einen starken Wunsch nach der Reproduktion menschlichen Aussehens und Verhaltens gibt und ob wir der Ansicht sind, dass uns dies wirklich von Nutzen ist. In manchen Situationen möchte ich keine schlaue Maschine haben, die für mich denkt. Ich brauche ein Gerät, das wirklich zuverlässig ist und vorhersagbar immer dasselbe tut. Der Office-Assistent von Microsoft hat mich zum Beispiel mehr genervt als alles andere. Man bewegt sich also auf einem schmalen Grat, und wie ich schon sagte, ist alles noch ungewiss. In den nächsten 10 bis 15 Jahren werden wir zum Beispiel wissen, ob ältere Menschen eher humanoide Roboter als Gefährten akzeptieren oder ob sie Rollstühle oder Gehhilfen mit Roboterelementen bevorzugen, die nicht menschlich aussehen, aber besondere Funktionen bieten.
ZDNet: Microsoft hat eine neue Robotik-Forschungsgruppe ins Leben gerufen und seine allererste Robotik-Software herausgebracht, Microsoft Robotics Studio, ein auf Windows basierender Toolkit, mit dem erwerbsorientierte und private Entwickler intelligente Anwendungen für eine Reihe von Erzeugnissen erschaffen können. Welche Auswirkungen wird der Einstieg von Microsoft auf das Gebiet der Robotik haben?
Thrun: Ich meine, dass sehr wohl die Möglichkeit besteht, dass dies das Gebiet bedeutend voranbringt. Wie bei den meisten Technologien, müssen verschiedene Dinge zusammenkommen. Zunächst muss die richtige Technologie vorhanden sein. Auch die öffentliche Wahrnehmung und die Unterstützung in der Öffentlichkeit müssen stimmen. Die Robotik wurde bei den großen Unternehmen immer auf Sparflamme gehalten. Dies ist nun möglicherweise das erste oder zweite Mal, dass ein großes Unternehmen die Robotik ernst nimmt. Ich habe viel mit den Leuten von Microsoft gesprochen. Ich glaube, dass sie einen ersten Schritt in die richtige Richtung getan haben, aber sie müssen ihrem Produkt mehr Linie geben und eine Nutzergemeinde aufbauen: in den Klassenzimmern, unter Amateuren, Nicht-Wissenschaftlern und so fort. Vieles von dem, was Microsoft mit diesem Produkt umgesetzt hat, ist wirklich gut gewählt. Ich hoffe also, dass sich hieraus ein positiver Effekt für das gesamte Gebiet ergeben wird.
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