Jboss, Novell und Microsoft: Das Gleichgewicht des Schreckens

ZDNet: Herr Fleury, im April haben Sie Ihre Firma Jboss an Red Hat verkauft. Bis dahin konnten Sie als Gründer und CEO schalten und walten, wie sie wollten, nun sind Sie Vice President und müssen zumindest an Matthew Szulik (CEO von Red Hat) berichten. Wie kommen Sie mit Ihrer neuen Rolle zurecht?

Fleury: Ach, eigentlich hat sich gar nicht so viel verändert. Ich war und bin ja nur das Aushängeschild für all diese talentierten Leute, die für Jboss arbeiten. Ich hab vorher nicht viel gemacht, und tue es auch heute nicht. Ich rede halt mit Journalisten und treibe mich auf Veranstaltungen herum.

ZDNet: Sehr bescheiden. Aber Ihr Gestaltungsrahmen hat sich doch etwas eingeengt, oder?

Fleury: Ja, früher habe ich Finanzfragen selbst geklärt, heute muss ich beispielsweise um Investitionen kämpfen. Das kann ganz schön frustrierend sein, weil wir Jboss nicht zuletzt an Red Hat verkauft haben, um signifikante Investitionen in unsere Forschung und Entwicklung zu erhalten. Bislang wurde aber vor allem in Support und Sales investiert, nicht in R&D (Research and Development beziehungsweise Forschung und Entwicklung, d. Red.). Das ist für mich persönlich unbefriedigend.

ZDNet: Red-Hat-Boss Matthew Szulik scheint doch ein vernünftiger Mensch zu sein – warum sprechen Sie nicht mit Ihm persönlich und klären das?

Fleury: Ach, das ist keine Frage von Szulik oder nicht Szulik. In einer großen Firma sind die Entscheidungswege oft lang. Wir sollten hier den persönlichen Aspekt sowieso außen vor lassen: Tatsache ist, dass unsere R&D-Abteilung im Moment nicht schneller wächst, als das auch ohne die Übernahme der Fall gewesen wäre. Das ist zu langsam. Dabei wäre genau jetzt die Zeit gekommen, unseren Technologie-Stack zu erweitern. Wie gesagt: Das war der Hauptgrund für den Verkauf!

ZDNet: Um ehrlich zu sein dachte ich, dass der Verkauf von Jboss andere Gründe hatte: Ich dachte, sie hätten mit dem Verkauf an Red Hat mehr Geld gemacht als mit einem möglichen Börsengang.

Fleury: Das ist nicht ganz verkehrt, aber lassen Sie mich klarstellen: Der Börsengang war eine ernsthafte Option, und er hätte genau jetzt, also Ende 2006, stattfinden können. Er hätte uns wahrscheinlich nicht mehr – aber auch nicht weniger – Geld gebracht als der Verkauf an Red Hat. Der Vorteil des Verkaufs an eine größere Firma waren die damit verbundenen Entwicklungsmöglichkeiten. Wir hätten das Geld aus dem Börsengang nicht sofort wieder investieren können. Eine größere Firma wie Red Hat, die sehr viel Geld auf der hohen Kante hat, kann dagegen sehr viel mehr in Jboss investieren. Das ist aber noch nicht in dem Umfang geschehen, in dem ich mir das erhofft habe. Daher meine Frustration.

Page: 1 2 3

ZDNet.de Redaktion

Recent Posts

Gaming-bezogene Phishing-Attacken um 30 Prozent gestiegen

Über drei Millionen Angriffsversuche unter Deckmantel von Minecraft / YouTube-Star Mr. Beast als prominenter Köder

2 Tagen ago

KI erleichtert Truckern die Parkplatzsuche

Die Prognose für die Anfahrt bezieht das Verkehrsaufkommen, die Stellplatzverfügbarkeit sowie die Lenk- und Ruhezeiten…

2 Tagen ago

EU AI-Act Risk Assessment Feature

Unternehmen können mit Casebase Portfolio an Daten- und KI-Anwendungsfällen organisieren.

2 Tagen ago

Smarthome-Geräte sind Einfallstor für Hacker

Smart-TV oder Saugroboter: Nutzer schützen ihre smarten Heimgeräte zu wenig, zeigt eine repräsentative BSI-Umfrage.

2 Tagen ago

Core Ultra 200V: Intel stellt neue Notebook-Prozessoren vor

Im Benchmark erreicht der neue Core Ultra 200V eine Laufzeit von 14 Stunden. Intel tritt…

2 Tagen ago

Irrglaube Inkognito-Modus

Jeder dritte hält sich damit für unsichtbar. Wie widersprüchlich unser Datenschutzverhalten oft ist, zeigt eine…

3 Tagen ago