Online-Communities: Vorbild oder reale Gefahr für die User?

ZDNet: Verbessern oder verschlechtern wir die öffentliche Sphäre? Ist der Rauschabstand bei moderner Mob-Kommunikation zu niedrig, als dass sie uns wirklich bereichern könnte, oder ist dies eine bislang beispiellose Zusammenarbeit, die tatsächlich zu einer besser informierten, besser gebildeten und mächtigeren Öffentlichkeit führt?

Rheingold: Ich glaube wirklich, dass eine Bildungsanstrengung nötig ist – im weitesten Sinne. In alten Zeiten haben Usenet-Veteranen Neulinge in Internetiquette unterrichtet. Jeden September kamen unzählige neue College-Studenten online, und die Leute nahmen sich die Zeit, sie zu erziehen – wenn auch nicht immer freundlich. Aber dann brachte AOL drei Millionen Leute ohne Anleitung ins Web, und das wurde der endlose September. Ich persönlich meine, dass die Bedeutung von Online-Diskurs in der Highschool gelehrt werden sollte, aber das Bildungswesen ändert sich nur langsam.

Meine jüngsten Bemühungen findet man unter www.socialtext.net/medialiteracy. Ich versuche, etwas Geld für Programme nach der Schule und in den Sommerferien aufzutreiben, um partizipative Medien als Weg zu gemeinschaftlichem Engagement bei Themen zu lehren, die für junge Leute wichtig sind.

ZDNet: Kennen Sie die Debatte zwischen Bill Joy [Mitgründer von Sun Microsystems] und Ray Kurzweil [High-Tech-Erfinder]? Und was denken Sie darüber, wenn das Digitale ein Teil der Alltagswelt wird, zum Beispiel Foglets
und Nanotechnologie?

Rheingold: Ich mache mir wegen autonomer Technologie Sorgen, daher habe ich Verständnis für Bill Joys Besorgnis. Man muss Kurzweil stets ernst nehmen, denn er hat einige sehr schwere Probleme gelöst, doch erinnert mich das an die Erfinder Bucky Fuller und Doug Engelbart. Ingenieure haben häufig einen etwas eingeschränkten Blick für Konsequenzen. Sagen wir es mal so: Es ist viel Geld dafür da, den Nutzen von ungetesteten Technologien schönzureden, aber die Einzigen neben Bill Joy, die sich über die Folgen Sorgen machen, scheinen entweder obskure Akademiker oder Skeptiker wie der Computerspezialist Cliff Stoll zu sein, die sich ebenfalls ihre eigenen Scheuklappen aufgesetzt haben. Langdon Winner ist ein brillanter Technologiekritiker, aber wer hat schon von ihm gehört? Tiefgründige, umfassende und nachdenkliche Technologiekritik ist nicht sehr populär.

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ZDNet.de Redaktion

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