„Seit 15 Jahren halten wir uns an die Kartellgesetze auf fünf verschiedenen Kontinenten. Bisher hat es nirgendwo sonst, nicht einmal in Korea, derartige Probleme gegeben.“ Mit diesen Worten hat Microsofts Chefjurist Brad Smith am späten Nachmittag in einer eilig einberufenen Telefonkonferenz zu den neuen Kartell-Vorwürfen der EU-Kommission Stellung bezogen.
Smith verteidigte die Preisgestaltung des Lizenzmodells, das von der Wettbewerbsbehörde wenige Stunden zuvor als unangemessen bezeichnet worden war. Auch widersprach er der Ansicht der Behörde heftig, dass es sich bei den lizenzierten Schnittstellen um Protokolle ohne Innovationswert handle und diese im Sinne der Interoperabilität kostenlos offengelegt werden müssten. Smith betonte einmal mehr die Gesprächsbereitschaft von Microsoft, zeigte sich zu einem Gutteil aber auch ratlos.
So beklagte der Microsoft-Rechtsexperte einmal mehr, dass die EU-Kommission nicht konkret formuliere, was sie eigentlich von Microsoft verlange. Er verwies in diesem Zusammenhang auf ein 8000 Seiten starkes Dossier, in dem man alle technischen Spezifikationen rund um das eigene Softwaresystem offengelegt habe. Auch das nun kritisierte Preismodell, das aus einer ersten Verurteilung Microsofts durch die Behörde im März 2004 hervorgegangen war, habe man auf insgesamt 1500 Seiten mehr als ausführlich dokumentiert und erklärt, so Smith.
Dabei habe man sich im Wesentlichen auf die Expertise des Consulting-Unternehmens Pricewaterhousecoopers gestützt, die dem Unternehmen bescheinigt habe, dass die Preise für die Implementierung von Microsoft-Technologie sogar rund 30 Prozent unter den marktüblichen Werten lägen.
Die Diskussion um die Preisgestaltung nutzte der Microsoft-Jurist auch zu einem Seitenhieb gegen IBM: „Wir haben bereits in der Vergangenheit erfolgreich nachgewiesen, dass IBM-Protokolle bis zu drei und vier Mal so teuer zu erstehen sind wie das, was wir anbieten.“ Die Argumentation der EU-Behörde, dass die strittigen Software-Schnittstellen von Microsoft keinen schützenswerten Innovationswert beinhalteten, wies Smith mit dem Hinweis auf die erworbenen Patente in diesem Bereich zurück.
„Wie kann es sein, dass die EU-Behörde technologische Errungenschaften nicht anerkennt, die uns von verschiedenen Patentämtern in unterschiedlichen Ländern nachweislich zugestanden wurden“, sagte Smith. Er forderte die EU-Verantwortlichen zu neuerlichen Gesprächen am Verhandlungstisch auf: „Man kann nicht zu einer Einigung kommen, wenn man nur mit sich selbst spricht.“
Nach einer Rekordstrafe von über 497 Millionen Euro im Jahr 2004 und einem Bußgeld von 280 Millionen Euro im vergangenen Jahr droht Microsoft nun bereits das dritte Mal innerhalb weniger Jahre ein saftiges Bußgeld. Die EU-Wettbewerbsbehörde bezieht sich dabei auf die erste Strafe aus dem Jahr 2004, da sie die damals verhängten Auflagen als nur unzureichend erfüllt betrachtet.
Microsoft hat nun einen Monat Zeit, um gegen die vorgebrachten Vorwürfe Stellung zu beziehen. Danach soll ein endgültiges Urteil über ein neuerliches Bußgeld gefällt werden. Im Raum steht dabei eine rückwirkende Strafe von bis zu drei Millionen Euro pro Tag für die Zeit ab August 2006. Bei einer neuerlichen Strafe könnten die Wettbewerbshüter sogar bis Dezember 2005 zurückrechnen, wenngleich mit geringeren Bußgeld-Tagessätzen.
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