ZDNet: Wenn man sich mit Konzernspitzen der SAP unterhält, wird man nur geringes Interesse an Open Source feststellen. Diese Leute nehmen die Bewegung kaum ernst.
Shuttleworth: So wie ich das sehe, bekommen Unternehmen, die dem Faktor Open Source nicht in ihre Strategie einbeziehen, zunehmend Probleme damit, die Wege und Mechanismen der IT-Industrie nachzuvollziehen. Aber ich weiß genau, dass bei der SAP einige talentierte Leute an Open-Source-Projekten sitzen – und das man ihnen durchaus Respekt entgegenbringt.
ZDNet: Sie haben bereits Oracle angesprochen: Das Unternehmen versucht gerade, eine eigene Linux-Distribution in den Markt zu drücken. Wie erfolgreich kann es damit sein?
Shuttleworth: Ich denke, dass Oracle mit seiner Strategie noch schwere Zeiten erleben wird. Einerseits halte ich es für eine gute Sache für Oracle, dass es ein Mitspieler im Linux-Markt wird. Oracle ist einer der Hauptakteure im globalen Markt, genau wie Linux. Ich halte es für sinnvoll, dass sich Oracle hinter das Thema klemmt.
Andererseits glaube ich aber nicht, dass sie mit der eingeschlagenen Strategie letztendlich erfolgreich sein werden. Dazu haben sie nicht die Befähigung. Sie kopieren im Wesentlichen die Strategie von Red Hat und setzen auch noch auf deren Plattform auf – die sie ja selbst nicht kontrollieren! Würde ein Kunde sie um die Roadmap für die kommenden zwei Jahre bitten, müssten sie ihn an Red Hat verweisen. Das kann nicht funktionieren.
ZDNet: Lassen Sie uns gleich noch über einen anderen Mitspieler im Linux-Markt sprechen: Novell. Mit der Konzernspitze von Novell habe ich bereits vor Jahren die Diskussion geführt, ob ein mehr Consumer-orientiertes Linux der Open-Source-Bewegung – und damit Novell selbst – nicht mehr helfen würde als eine starke Business-Orientierung. Ubuntu ist der bislang stärkste Vorstoß in Richtung Consumer-Linux überhaupt. Halten Sie die Strategie der Open-Source-Paten wie Linus Torvalds für falsch, die in erster Linie auf die Eroberung der Unternehmens-IT abzielt?
Shuttleworth: Die Perspektive hat sich in den vergangenen Jahren verschoben: Vor drei, vier, fünf Jahren war es Linus sehr wichtig, Linux zuverlässig und skalierbar für den Server zu machen. Und das haben er und seine Kollegen ganz hervorragend gelöst. Ich bin überzeugt, dass nun, da sich der Fokus zunehmend auf den Desktop richtet, auch dieser Bereich erfolgreich eingenommen werden kann. Das wird die Zeit sicher zeigen.
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