Die Überwachung von Bundesbürgern nimmt neue, bislang nicht vorstellbare Formen an. Selbst dem IT-Branchenverband Bitkom werden die jüngsten Aktivitäten der deutschen Behörden unheimlich. Denn Telefon- und Internet-Daten seien heiß begehrt bei den staatlichen Ermittlern. Im Namen der Sicherheit sammelten sie immer mehr Informationen.
Steigend ist auch die Zahl der Lauschangriffe: 40.915 Telefone wurden im vergangenen Jahr abgehört, ein Plus von 1,6 Prozent gegenüber 2005. Dies beziehe sich sowohl aufs Handys als auch aufs Festnetz, erklärte die Bundesnetzagentur. Künftig haben die Fahnder noch mehr Möglichkeiten. Der Bundesverband gab dazu einen aktuellen Überblick:
1. Datenspeicherung
Ab 1. Januar 2008 ist die so genannte Vorratsdatenspeicherung Pflicht. Netzbetreiber müssen dann sechs Monate lang speichern, wer wann mit wem telefoniert hat – und Internet-Provider müssen die Einwahldaten ihrer Nutzer so lange archivieren. Auch E-Mail-Adressen werden erfasst. Die Anbieter sind verpflichtet, Ermittlern die Daten zu liefern.
Für die nötige Technik müssen sie nach einer Schätzung des Bitkom 50 bis 75 Millionen Euro investieren. Hinzu kommen jährliche Betriebskosten in zweistelliger Millionen-Höhe. Die Unternehmen erwarten, dass der Staat den Großteil der Kosten übernimmt – doch die Bundesregierung zögert.
2. Telefonüberwachung
Neue Straftaten werden in den Katalog für die Telefonüberwachung aufgenommen. Beispiele: Korruption, schwere Steuerdelikte, Menschenhandel, bestimmte Sexualstraftaten und Doping. An anderer Stelle wird die Überwachung eingeschränkt: Bei Straftaten mit weniger als fünf Jahren Maximal-Freiheitsstrafe lauscht der Staat künftig nicht mehr mit. Ein Richter muss die Überwachung anordnen.
Wer von der Polizei abgehört wird, muss nachträglich informiert werden. Alle Erkenntnisse, die vor Gericht nicht benötigt werden, müssen wieder gelöscht werden. Pfarrer, Ärzte, Anwälte und Journalisten genießen besonderen Schutz – sie dürfen nur in Ausnahmefällen in Ermittlungen einbezogen werden.
3. Online-Durchsuchung
Heiß umstritten ist die so genannte Online-Durchsuchung, die Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble anstrebt. Gemeint ist, dass der Staat per Internet heimlich auf Computer von Verdächtigen zugreift – zum Beispiel mit einer Spionage-Software (Trojaner). Datenschützer und die IT-Branche lehnen die Pläne ab. „Das verunsichert die Anwender und schadet den Anbietern von PC-Sicherheitsprogrammen“, sagte Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder. Beim konkreten Verdacht einer Straftat reiche geltendes Recht – so könnten PCs bei einer Hausdurchsuchung beschlagnahmt werden.
Bis jetzt gibt es keine gesetzliche Grundlage für eine Online-Durchsuchung. Ob ein Gesetz dazu kommt, ist noch offen.
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