Der jüngste Skandal um Pädophilie in der virtuellen Welt Second Life macht es deutlich: Ein Gesetzeswerk für den Cyberspace muss her. Peter Fleissner, Wissenschaftler am International Center for Information Ethics (ICIE), plädiert im Rahmen der vom Austrian Chapter des Club of Rome in Wien veranstalteten Konferenz Leben im Cyberspace für eine Charta virtualis. Diese Charta soll ein einklagbares Gesetzeswerk für virtuelle Welten beruhend auf den Grundrechten sein. „Durch die Hintertür schleichen sich auch in den Cyberspace Leidenschaften, Emotionen und Neidvorstellungen. Je mehr man die virtuellen Räume ausdehnt, desto mehr findet Interaktion statt und desto wichtiger werden auch Regelungen“, sagt Fleissner.
Hintergrund für die Charta, die Fleissner vorschwebt, bildet die Aufklärung und bürgerliche Revolution. Sie sollte die Bürger- und Menschenrechte für den heutigen Entwicklungsstand neu festschreiben. „Eine solche Charta kann die Wirkungen der neuen Technologie in eine für die Mehrheit der Menschen vorteilhafte Richtung lenken“, so Fleissner. Vorläufer einer solchen Charta hat die Europäische Union bereits entworfen, um etwa die Bürger vor Betrug beim Einkauf im Internet zu schützen.
Angelehnt an Friedrich Stein-Müller listet Fleissner das Recht auf Selbstbestimmung als eines der wichtigsten Kapitel dieses Gesetzeswerkes auf. „Das bedeutet, dass man im Cyberspace nur das von sich sieht, was man hergeben will. Alles andere gehört der Privatsphäre an“, erklärt Fleissner. Daraus ergibt sich die große Bedeutung der Verschlüsselung der eigenen Daten, die mit Anonymisierung oder Pseudonymisierung geschützt werden können.
Fleissner, ehemaliger Professor für Sozialkybernetik, geht aber noch weiter und verpasst der Medienindustrie einen Seitenhieb. Als Befürworter des Rechts auf freien Informationszugang fordert er eine Beschränkung der geistigen Eigentumsrechte, die vor allem von amerikanischen Medienkonzernen für die Profitgewinnung ausgeschlachtet werden. „Die amerikanische Medienindustrie verlangt immer längere Urheberrechte, etwa auf Beatlessongs. Dabei gehen die Einnahmen schon längst nicht mehr an die Beatles-Mitglieder“, kritisiert Fleissner. Stattdessen fordert er eine Beschränkung auf etwa 20 Jahre, damit diese Kulturgüter wieder frei der Öffentlichkeit zukommen.
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