Die Zahl der Onlinesüchtigen steigt. Aktuelle Studien gehen bereits von einer Dunkelziffer von zwei Millionen Internetabhängigen in Deutschland aus. Im Rahmen der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) diskutieren Ärzte und Kommunikationswissenschaftler nun vom 21. bis zum 24. November in Berlin über Ursachen, Folgen und Therapiemöglichkeiten dieser Erkrankung.
Die Erkenntnis, dass das Internet abhängig machen kann, ist nicht neu. Die Brisanz der Problematik liegt nach Meinung der Forscher eher in der Ignoranz, die im Umgang mit Onlinesucht noch immer gesellschaftlich weit verbreitet ist. „Das Internet ist für viele Betroffene ein Weg, um vor Enttäuschungen und Problemen in eine Scheinwelt zu fliehen und sich von negativen Gefühlen abzulenken“, erläutert Karl F. Mann, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie und Mitglied der DGPPN. Wenn Menschen in der realen Welt nicht mehr über ihre Bedürfnisse sprächen und das soziale Umfeld allmählich zusammenbreche, könne die Online-Sucht zu einem Teufelskreis werden.
„Betroffene und Angehörige sollten daher nicht zögern, einen Psychotherapeuten aufzusuchen“, rät der Experte. Viele Betroffene verlieren zunehmend das Interesse an Familie und Freunden und vernachlässigen ihre Arbeit, um sich mit Unbekannten über E-Mail, in Chats, Foren und Blogs zu unterhalten. Oftmals richten derart Abhängige auch ihren gesamten Tagesablauf so ein, dass sie möglichst viel Zeit im Internet verbringen können und werden unruhig, wenn sie davon abgehalten werden. Neben der Online-Kommunikation haben auch Online-Spiele und pornographische Inhalte im Internet ein erhebliches Suchtpotenzial.
Parallel zur ansteigenden Zahl der Onlinesüchtigen gelten auch immer mehr User als gefährdet. Rund 40 Millionen Deutsche besitzen derzeit einen Internetanschluss, etwa fünf Prozent davon sind mittlerweile süchtig. Zusätzlich stehen laut Untersuchungen der Berliner Humboldt Universität etwa zehn Prozent an der Schwelle zur Abhängigkeit. „Ein besonders großes Risiko besteht für Jugendliche unter 20 Jahren“, erklärt Mann. Auch Singles seien gefährdet, Männer wie Frauen. „Sie werden süchtig nach der Möglichkeit, unkompliziert potenzielle Partner im Netz kennen zu lernen.“
Als Krankheitsbild ist Onlinesucht hierzulande noch nicht anerkannt. Ausgehend von den USA beginnen sich aber auch in Deutschland allmählich Therapeuten auf das Phänomen zu spezialisieren. Dass Internetsucht ein international auftretendes Problem ist, zeigt das Beispiel Südkorea: Dort sollen nach einigen Todesfällen aufgrund von übermäßigem Onlinespielen staatlich geführte Camps junge Koreaner von ihrer Internetbesessenheit kurieren.
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