Das Dilemma der Nutzer betrifft auch den kompletten Transfer und die automatische Migration der Daten und Adressbücher durch die Nutzer zu anderen Diensten. Einerseits unternehmen die Betreiber große Anstrengungen, um zu verhindern, dass die Nutzer ihre erstellten Netzwerke beispielsweise in externe E-Mail-Programme exportieren können. Andererseits wurde dem erhöhten Schutzbedarf dieser sensiblen Datenmengen kaum Rechnung getragen, wie man am Beispiel von Studi-VZ sehen kann.

Nach Auffassung von Speck sind die proprietären, geschlossenen Systeme der größeren sozialen Netzwerke ohnehin kaum geeignet, die jetzigen Vorstellungen von Privatsphäre und das gleichzeitige Bedürfnis nach digitaler Teilnahme und Datenaustausch in Zukunft miteinander zu vereinbaren. Die vermeintliche Öffnung durch Konzepte wie „Open Social“ sei zwar populär, leiste aber keinen Lösungsbeitrag. So trage die Standardisierung mit Hilfe des Open-Social-Konsortiums vor allem den Geschäftspraktiken der Betreiber Rechnung, damit sie neue Marktanteile hinzugewännen.

„Es wird bewusst darauf verzichtet, auf die Kontroll- und Disziplinierungsfunktion von APIs und Schnittstellen hinzuweisen, die durch die Schnittstellenanbieter gegenüber freien Entwicklern beziehungsweise Wettbewerbern ausgeübt werden kann, und bei vergleichbaren Angeboten in der Vergangenheit auch ausgeübt worden ist“, so Speck.

Dass die Betreiber durchaus ein eigenes und etwas verqueres Verständnis von „Nutzerfreundlichkeit“ verfolgen, erscheint aus deren Selbstverständnis durchaus nachvollziehbar. Dies könnte sich aber auch als Bumerang erweisen. Zwar erlauben einige soziale Netzwerke das „Abmelden“ des eigenen Profils. Sie verweigern jedoch andererseits die dezidierte Löschung einzelner Beiträge, Verknüpfungen und Foreneinträge.

Andere soziale Netzwerke verzichten wiederum auf die Zustimmung der Nutzer bei neuen Profilierungsmaßnahmen oder stellen die Nutzerdaten unbemerkt im sogenannten Opt-Out-Verfahren zur Verfügung. Wie weit derartige Eingriffe in die Privatsphäre gehen können, zeigt das Beispiel Facebook.

Nicht nur Datenschützer misstrauen Initiativen wie Open ID. Die enorme Popularität einzelner sozialer Netzwerke und die Verknüpfung unzähliger, an sich möglicherweise unkritischer Profildaten, werfen die Frage auf, ob und in welcher Weise sich das allgemeine Verständnis von Privatsphäre noch weiter aufrechterhalten lasse, insbesondere, wenn der Nutzer die Regie komplett an andere abgibt. Die durch wirtschaftliche und kriminelle Interessen entstehenden Bedrohungspotenziale sind dabei noch gar nicht einmal bedacht worden.

Page: 1 2 3 4

ZDNet.de Redaktion

Recent Posts

Alphabet übertrifft die Erwartungen im dritten Quartal

Gewinn und Umsatz legen deutlich zu. Zum Wachstum tragen auch die Sparten Cloud und Abonnements…

6 Tagen ago

1 Million Dollar: Apple zahlt Prämie für Hack seiner Apple Intelligence Server

Ein neues Bug-Bounty-Programm beschäftigt sich mit Apples Private Cloud Compute. Prämien gibt es unter für…

7 Tagen ago

Apple stopft 28 Sicherheitslöcher in iOS und iPadOS 18

Betroffen sind alle aktuell unterstützten Apple-Smartphones und -Tablets. Schwachstellen in iOS und iPadOS erlauben unter…

7 Tagen ago

Mandiant warnt vor Angriffen auf Zero-Day-Lücke in FortiManager-Appliances

Sie erlaubt Diebstahl von Daten. Bedrohungsakteure könnten FortiManager-Appliances kompromittieren, um Unternehmensumgebungen anzugreifen.

7 Tagen ago

Gartner: Halbleiterumsätze steigen 2025 voraussichtlich um 14 Prozent

Speicherchips und GPUs für KI-Server beflügeln das Wachstum. Die Nachfrage aus dem Automobil- und Industriesektor…

1 Woche ago

Deutlicher Anstieg der Cyberangriffe auf deutsche Unternehmen

Hierzulande liegt das Wachstum im dritten Quartal gegenüber dem Vorjahreszeitraum bei 78 Prozent. In Österreich…

1 Woche ago