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Pleite des Vobis-Webshops: Keiner war’s

Am 20. Dezember stellte der Webdienstleister Product + Concept beim Amtsgericht Berlin-Charlottenburg Insolvenzantrag. Betroffen waren auch die Webshops von T-Systems, Fujitsu Siemens Computers und der Vobis AG: Alle drei wurden von Product + Concept betrieben. Durch eine unglückliche Konstellation gerieten besonders die Kunden des Vobis-Webshops in den Strudel des Scheiterns von Product + Concept. Nach zahlreichen ergebnislosen Versuchen, zeitnah Geld oder Ware zu bekommen, organisieren sie sich jetzt in einem Forum.

Die Reaktionen der Betroffenen fielen heftig aus. Einige davon wandten sich auch an ZDNet: „Ich gehöre ebenfalls zu den Geschädigten der Pleite des Vobis-Online-Shops, der am 20.12. Insolvenz beantragt hatte, sich darüber ausgeschwiegen hat und mein Geld eine ganze Woche später gerne noch genommen hat, ohne jemals etwas von der Ware sehen zu lassen.“

Ein anderer beschwerte sich: „Ich wurde von Vobisshop um 850 Euro betrogen. Ware zurückgeschickt – Insolvenzanmeldung von Vobisshop – keine Rückerstattung des Kaufpreises! Toller Trusted-Shop! Aber sowohl Vobis als auch der Franchisenehmer betreiben weiter munter ihre Geschäfte. Laut Franchisenehmer hat Vobis kein Interesse, den Kunden ihr Geld beziehungsweise Eigentum zurückzugeben! Alle Versuche wieder an das Geld oder die Ware zu kommen, blieben bisher ohne Ergebnis. Ich war auch beim Rechtsanwalt. Leider blieben auch dessen Bemühungen bisher ohne Erfolg.“

Ein weiterer Kommentar: „Wie kann eine Seite wie Ihre so einen Artikel über einen Shop bringen, der seine Kunden veräppelt… Es wird kurzzeitig ein „Konkurs“ angemeldet und Vobis verkauft einen Monat später lustig weiter. Wie kann das sein?“

Wie kam es dazu und was war genau passiert?

Nach dem Insolvenzantrag am 20. Dezember 2007 wurde als vorläufiger Insolvenzverwalter am 8. Januar vom Amtsgericht Berlin Rechtsanwalt Jürgen Spliedt eingesetzt. Er konnte mit allen Kunden, für die Product + Concept einen Webshop betrieb, schnell und unbürokratisch Kulanzlösungen ausarbeiten, auf deren Grundlage der weitere Betrieb dieser Shops sichergestellt werden konnte.

„Der einzige, der sich diesen Vorschlägen verschloss, war die Vobis AG“, sagt Spliedt. „Die Webseite, auf die die Vobis AG Zugriff hatte, wurde wenige Tage nach Anordnung der vorläufigen Verwaltung eingestellt – einige Tage vor dem Auslaufen des Vertrages am 31. Januar. Die Kunden wurden auf der Vobis-Webseite unzureichend und teilweise falsch informiert.“

Zu den fehlerhaften Informationen gehöre etwa, dass Spliedt als Insolvenzverwalter genannt wurde, als er es noch gar nicht war. „Eine Insolvenz bedeutet ja nicht automatisch, dass ein Unternehmen nicht mehr weitergeführt werden kann“, so Spliedt. „Bei Product + Concept stehen die Chancen dafür sehr gut. Mit ein wenig Entgegenkommen der Vobis AG wäre auch die korrekte Abwicklung von noch nicht ausgeführten Bestellungen im von Product + Concept betriebenen Vobis-Webshop möglich gewesen. Dazu aber war diese nicht bereit.“

Der Insolvenzverwalter gibt Vobis die Schuld

ZDNet liegen Bestellbestätigungen mehrerer Kunden vor, die etwa am 4. oder 7. Januar bestellt und per Vorkasse bezahlt haben. Sie alle haben bis heute weder das bestellte Produkt noch eine Gutschrift erhalten. Das Problem: Seitdem der Insolvenzverwalter im Unternehmen ist, dürfen weder Geld noch Waren das Unternehmen verlassen. Er muss zunächst, salopp gesagt, Kassensturz machen und die vorhandene Masse mit den angemeldeten Ansprüchen verrechnen.

Insolvenzverwalter Spliedt bleibt nichts anderes übrig, als diese Gläubiger in die Insolvenztabelle aufzunehmen und auf eine eventuelle spätere Befriedigung ihrer Forderungen zu vertrösten. Selbst bei vergleichsweise kleinen Beträgen kann da keine Ausnahme gemacht werden: „Von Gesetzes wegen dürfen Gläubiger nicht außer der Reihe zu ihrem Recht gelangen“ erklärt Spliedt.

Die starre Haltung von Vobis bedeute auch für ihn erhebliche Mehrarbeit, erklärt Spliedt – und für die Kunden des Vobis-Webshops, die unglücklicherweise in der Übergangsphase per Vorkasse bezahlt haben, lange Wartezeiten: Sie müssen sich in die Insolvenztabelle eintragen lassen und bekommen dann, wenn es zur Insolvenzeröffnung kommen sollte, einen Anteil ihrer Forderungen ausbezahlt.

Dessen Höhe richtet sich danach, wieviel Masse vorhanden ist. Bis es soweit ist, können aber mehrere Monate vergehen. Wird die Firma aus der Insolvenz geführt und setzt ihr Geschäft fort, kann dies sogar noch positiver für die Gläubiger sein, besteht dann doch die Möglichkeit, dass sie in vollem Umfang ihr Geld erhalten. Aber das kann unter Umständen noch länger dauern.

Vobis gibt Product + Concept die Schuld

Im Bewusstsein dieser gesetzlich festgelegten Vorgehensweise strebten andere Shop-Partner von Product + Concept unbürokratische, schnelle Lösungen an, um solche Fälle abzufangen. Norbert Riepl, Pressesprecher Technik bei T-Systems, etwa nennt auf Anfrage von ZDNet das Beispiel eines Kunden, der kurz vor dem Insolvenzantrag einen PC bestellt und bezahlt habe, der zu dem Zeitpunkt aber nicht lieferbar gewesen sei: „Wir haben dafür gesorgt, dass dieser Kunde trotz Insolvenzantrag wieder zu seinem Geld kam – es ist ja nicht Sinn der Sache, dass unsere Kunden die Insolvenz sponsern.“

Jürgen Bochmann, Vorstand der Vobis AG, will die Vorwürfe des Insolvenzverwalters und der Product + Concept GmbH so nicht gelten lassen: „Wir haben beim Insolvenzverwalter Informationen über die betroffenen Kunden angefordert, aber diese nie erhalten. Ohne diese Informationen ist es uns nicht möglich, Beschwerden oder Anfragen zufriedenstellend abzuarbeiten. Jedem, der uns angesprochen hat, haben wir den Sachverhalt deutlich erklärt. Außerdem geht aus der Korrespondenz der Kunden mit dem ehemaligen, von Product + Concept betriebenen Vobis-Webshop eindeutig hervor, dass eine Geschäftsbeziehung zwischen dem Shopkunden und Product + Concept bestand – nicht mit uns.“

Daher will Bochmann nun auch nicht für die durch den Geschäftsbetrieb und den Insolvenzantrag von Product + Concept entstandenen Unannehmlichkeiten der Vobis-Shop-Kunden finanziell geradestehen. „Wir haben, sobald wir von der Insolvenz erfuhren, den Shop am 14. Januar eingestellt, um den Schaden zu begrenzen. Am 1. Februar ging dann planmäßig der neue, von uns selbst betriebene Vobis-Shop online. In der Zwischenzeit haben wir auf der Webseite ausführlich über die Situation und unser Vorgehen informiert.“

Product + Concept will Kundenansprüche nach Abschluss der Verhandlungen befriedigen

Dass andere Shop-Partner von Product + Concept sich kulanter gezeigt haben, mag auch dadurch bedingt sein, dass sie in einem größeren Abhängigkeitsverhältnis zu dem Shop-Betreiber stehen. Sie können schließlich nicht so ohne weiteres von heute auf morgen einen neuen Shop unter ihrem Namen aus dem Boden stampfen. Vobis dagegen hatte den eigenen, neuen Webshop sozusagen schon in der Schublade, da der Vertrag mit Product + Concept nach zwei Jahren ohnehin zum 31. Januar 2008 ausgelaufen wäre.

Die verbliebenden Kunden von Product + Concept, darunter etwa T-Systems oder Fujitsu-Siemens Computers, sehen jedoch die Situation bei dem Berliner Dienstleister offenbar ähnlich wie Insolvenzverwalter Spliedt: Sie sind an einem Weiterbestehen der Geschäftsbeziehung interessiert und planen auch weiterhin mit Product + Concept. Auch Trusted Shops hat sein Garantiesiegel weder vom T-Systems- noch vom FSC-Shop zurückgezogen.

Norbert Riepl, Pressesprecher Technik bei T-Systems, erklärt: „Wir setzen das Geschäft mit Product + Concept unter der Voraussetzung fort, dass alle Geschäfte auch weiterhin ordnungsgemäß abgewickelt werden und kein Geld zweckentfremdet wird. Aber das ist durch den Insolvenzverwalter gewährleistet. Grundsätzlich halten wir aber das Konzept des Dienstleisters für gut und haben kein Interesse daran, ihn zu zerschlagen“.

Auch FSC glaubt, dass die Probleme bei Product + Concept vorübergehender Natur sind: „Für unseren Webshop liegt nur eine sehr geringe Anzahl an Beschwerden vor und um die beste und schnellstmögliche Lösung für unsere Kunden zu finden, arbeitet unser Unternehmen eng mit dem Insolvenzverwalter zusammen. Wir sind zuversichtlich, dass für Product + Concept eine schnelle Lösung gefunden wird, die eine Wiederaufnahme der Tätigkeit des Partners möglich macht. Zum Zeitrahmen können wir leider keine Aussage machen.“

Product + Concept teilte am 19.3. auf Anfrage von ZDNet diesbezüglich mit: „Product + Concept befindet sich auf verschiedenen Ebenen in Verhandlungen, um in den nächsten 14 Tagen die Insolvenz voraussichtlich abwenden zu können. Nach Abschluss der Verhandlungen sollen alle noch offenen Kundenanfragen hinsichtlich ihrer Gutschriften befriedigt werden.“ Denn es seien „leider einige Bestellungen trotz Einführung von Hold-Mechanismen durch die technischen Prozesse geschlüpft, die mit einigen weiteren Dienstleistern vereinbart sind, so dass auch nach dem 20.12.2007 Orders durchgeschlüpft sind, die nicht prozessiert werden konnten.“

Im Klartext heißt dass, Product + Concept hat es nicht geschafft, nach dem Insolvenzantrag dafür zu sorgen, dass keine Bestellungen mit Vorauskasse mehr entgegengenommen werden – wobei klar gewesen sein muss, dass die „anderen Dienstleister“, also Lieferanten aus dem Großhandel, für das Unternehmen nichts mehr ausliefern würden, ohne ihrerseits das Geld im voraus zu erhalten.

Ende gut, alles gut?

Ein mögliches Ergebnis der Verhandlungen, in denen sich Product + Concept gerade befindet wäre etwa, dass die Shop-Plattform von einem oder mehren der verbliebenen Shop-Partner aus dem Unternehmen herausgekauft wird. Der Erlös daraus und der Rest des Unternehmens würden dann in die Insolvenzmasse einfließen und an die Gläubiger verteilt. Oder das sich Shop-Partner an dem Unternehmen beteiligen und ihm so wieder die nötige Liquidität verschaffen.

Bei dieser Variante hätte Vobis – würde das Unternehmen jetzt einen gewissen Betrag zur Verfügung stellen, um Kundenansprüche zu befriedigen, das Nachsehen: Das Geld wäre vermutlich fort, der Gegenwert gleich null – wenn man einmal davon absieht, dass dadurch das Image aufgebessert würde. „Ich will und kann als Vorstand von Vobis aber nicht für den von anderen verursachten Schaden die finanzielle Verantwortung übernehmen“, meint Bochmann. „Es tut mir für die betroffenen Webshop-Kunden leid, das Problem liegt aber nicht bei Vobis, sondern bei Product + Concept und den deutschen Gesetzen: Sie sind einfach nicht an die Gepflogenheiten des E-Commerce angepasst.“

Der Vobis-Vorstand rät den Betroffenen daher zu Geduld: „Das Insolvenzverfahren ist noch nicht eröffnet, und so wie es aussieht, kommt es auch nicht dazu. Besteht die Firma Product + Concept fort, haben alle, die auf ihr Geld oder ihre Produkte warten, gute Chancen, dieses dann zu bekommen.“ Für den Fall, dass das Insolvenzverfahren eröffnet wird und negativ ausgeht, „könne man immer noch sehen, welche Möglichkeiten es zu einem Entgegenkommen gibt.“ Bis dahin bleibt Bochmann bei seiner Linie: „Product + Concept hat den Schaden verursacht, die Firma muss ihn auch bezahlen.“

Andere Kunden, die ebenfalls während der kritischen Zeit im Vobis-Shop bestellten, kamen mit einem blauen Auge davon. Sie kannten sich mit dem Trusted-Shop-Siegel auf der Vobis-Webshop-Seite aus: Dabei muss nach dem Kauf durch eine kostenfreie Registrierung die Garantie aktiviert werden.

„Bis zum Zeitpunkt der Siegelsperrung Mitte Januar wurden von Trusted Shops 47 Garantien ausgesprochen. Von diesen wurden bis auf sechs alle regulär geschlossen: Die Kunden haben also entweder die Ware oder eine Rückzahlung direkt vom damaligen Shop-Betreiber Product + Concept erhalten“, versichert ein Sprecher von Trusted Shops gegenüber ZDNet. Von den verbliebenen sechs Fällen seien in vier Fällen Erstattungen durch die Trusted Shops GmbH geleistet worden, bei den zwei übrigen warte man auf Nachweise, die der Kunde noch erbringen muss.

ZDNet.de Redaktion

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