Microsoft sucht den Paradigmenwechsel

Bei Microsoft zeichnet sich eine Umgestaltung in der Definition der Geschäftsfelder ab. Aber um einen Paradigmenwechsel zu erreichen, müssen genug Entwickler gewonnen werden. Die Crew aus Redmond will es mit Reflexivität schaffen.

Reflexivität lässt sich in diesem Zusammenhang so erklären: Wenn viele Menschen glauben, dass ein bestimmtes Ereignis eintreten wird, sorgen sie unwissentlich dafür, dass es tatsächlich stattfindet. Dieser Ansatz stammt aus den Wirtschaftswissenschaften und wird beispielsweise auf Aktienkurse angewandt. Wenn etwa am Aktienmarkt die Unternehmen einen Crash befürchten, ergreifen sie bestimmte Maßnahmen, zum Beispiel die Reduzierung ihrer Aktienkäufe oder die Entlassung von Mitarbeitern, die dann wiederum zur Entstehung eines Börsencrashs beitragen können.

Beeinflusst Microsoft die Entwickler – oder umgekehrt?

Es ist allgemein bekannt, wer zu den Marktriesen im IT-Bereich gehört: IBM, Oracle, Microsoft, Sun Microsystems – auch wenn dieser Riese im Schrumpfen begriffen ist – und noch einige mehr. Wie viele dieser Giganten sind aber wirklich an der Entwicklertätigkeit beteiligt? Woher kommen die von den Benutzern verwendeten Tools und Sprachen wirklich?

Da fällt die Aufzählung schon viel kürzer aus. Die von Java-Entwicklern verwendete Sprache stammt von Sun. Die verwendeten Tools sind entweder von Eclipse, ursprünglich ein IBM-Alphaworks-Projekt, Jdeveloper (Oracle) oder Netbeans (Sun). Die meisten PHP-Entwickler setzen auf den einen oder anderen Texteditor. Aber fast 100 Prozent der Entwickler von Windows-Desktop-Anwendungen und vermutlich etwa 30 bis 60 Prozent der Web-Entwickler benutzen ein und dasselbe Tool: Microsoft Visual Studio. Da kann man wirklich von einem Marktriesen sprechen!

Das ActiveX-Debakel hat Microsoft eindeutig bewiesen, dass das Unternehmen den Entwicklern nichts andrehen kann, was sie nicht wirklich brauchen. Selbst die UAC-Technologie schafft es nicht, Programmierer auf die Richtlinien und Anweisungen einzuschwören, die Microsoft seit mehr als fünf Jahren herausgibt. Zahlreiche Anwendungen werden nach wie vor in ASP und VB6 Classic verwaltet, trotz der enormen Vorteile, die ein Wechsel zu .NET bringt. Immerhin scheint .NET 1.1 inzwischen die dominante Version zu sein. Aber Windows Vista hat nach wie vor mit dem Erfolg von Windows XP zu kämpfen. Es genügt also noch lange nicht, dass Microsoft etwas erwartet, um dies dann auch tatsächlich eintreten zu lassen.

Dennoch ist Microsoft nicht ganz ohne Einfluss. Als das Unternehmen beispielsweise beschloss, ODBC zur Lösung für Datenbankverbindungen zu machen, geschah es auch so. Als Microsoft ernsthaft in die Web-Entwicklung einstieg, konnte sich das Unternehmen von einem nachweisbaren Marktanteil von 0 Prozent auf circa 30 bis 60 Prozent verbessern, wobei hier die Angaben stark variieren. Ebenso brachte Microsoft VB3 ungefähr zum gleichen Zeitpunkt auf den Markt, zu dem Borland Delphi 1 einführte. Die Folge war, dass Borlands Abstieg begann. Microsoft gehört außerdem zu den AJAX-Pionieren. Outlook Web Access kann immer noch gut mithalten. Und das Unternehmen förderte auch gezielt den Bereich Web-Services. Heute geht ohne AJAX und Web-Services nichts mehr.

Es scheint also doch, dass Microsoft bestimmte Veränderungen stark beeinflusst – zumindest, wenn die Konkurrenz keine deutlich besseren Alternativen zu bieten hat. Mit anderen Worten: Die Menschen folgen den Visionen von Microsoft gerne, sofern diese nicht allzu sehr daneben liegen. Meistens waren die Visionen von Microsoft auch erfolgreich, obgleich es häufig an der Umsetzung ein wenig haperte.

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ZDNet.de Redaktion

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