IBMs Linux-Chefin: Open Source steht jetzt am Wendepunkt

ZDNet: Da möchte ich einhaken: Viele Versuche, sowohl von anderen Anbietern als auch jüngst von IBM und Partnern, PCs oder Notebooks mit vorinstalliertem Linux auszuliefern, fanden in Ländern statt, die nicht zur Europäischen Union oder zu Nordamerika gehören. Ist in den Entwicklungs- udn Schwellenländern das Kostenbewusstsein höher oder die Zahl der Altanwendungen unter Windows geringer, so dass die Umstiegshürden niedriger sind?

Kuznetsova: Es ist auf alle Fälle so, dass in den Schwellenländern oder auch in Osteuropa das Interesse an Linux sehr hoch ist – und die Dynamik dieser Märkte könnte auch in Nordamerika oder Europa einiges in Schwung bringen. Man kann diese aufstrebenden Märkt aber nicht alle über einen Kamm scheren.

So ist das Interesse an Ländern mit vergleichsweise vielen technisch recht gut ausgebildeten Menschen wie Indien, China oder Russland auch auf die verschärften Kopierschutzgesetze und den größeren Nachdruck zurückzuführen, mit dem diese durchgesetzt werden: Wenn die Menschen merken, was sie für das bezahlen müssen, was sie bislang teilweise – zugegeben vielfach unrechtmäßigerweise – kostenlos oder nahezu kostenlos genutzt haben, sehen sie sich nach Alternativen um. In anderen Ländern, etwa Vietnam oder Malaysia, sind die Windowsbasis und -expertise relativ gering. Viele der Nutzer dort fangen einfach mit Linux an.

ZDNet: Geht es dabei meist um Desktops beziehungsweise Notebooks oder doch um Projekte in großem Stil?

Kuznetsova: Um beides. Ein Beispiel für ein großes Projekt ist der geplante Software-Park im chinesischen Wuxi, einem von elf Zentren, die dem Land helfen sollen, sich auch ein Standbein bei Software und Outsourcing zu schaffen. Schon 2010 sollen dort 200 Firmen mit einem durchschnittlichen Umsatz von 30 Millionen Dollar und insgesamt 200.000 Mitarbeitern angesiedelt sein.

Sie alle binden sich in das von uns mit chinesischen Partner aufgesetzte Cloud-Computing-Center ein. IBM bringt dabei Rational-Entwicklungswerkzeuge, WebSphere Application Server und DB2 als Datenbank auf System-x-, p- und BladeCenter-Hardware ein, die mit Tivoli verwaltet wird. Und all das läuft unter Linux.

ZDNet: Gibt es vergleichbare Linux-Erfolge auch aus Deutschland zu berichten?

Kuznetsova: Deutschland ist sogar mit der größte Linux-Markt in Europa, und aus meiner Sicht ist besonders positiv, dass besonders in Deutschland viele geschäftskritische Bereiche auf Linux verlagert werden. Die Volkswagen AG etwa hat kürzlich mit Linux ihre bisher unter Unix- und x86-Systemen abgearbeiteten Workloads auf System-p-Server verlagert. Aus 76 Unix-Servern des Wettbewerbs wurden sechs System-p5-570-Server mit Linux.

Ein anderer für uns wichtiger Kunde ist die Kommunale Datenzentrale Mainz. Sie ist der Beweis, dass Linux auch in der öffentlichen Verwaltung mit hohen Sicherheitsanforderungen breit einsetzbar ist.

ZDNet: Wir hatten über Netbooks, Desktops und Großrechner gesprochen. Ausgelassen haben Sie bisher Linux im Mittelstand.

Kuznetsova: Das stimmt, und ich muss zugeben, dass dieser Bereich noch etwas hinterherhinkt. Der Grund ist die hohe Zahl der dort verwendeten, oft sehr speziellen Anwendungen, die sich nicht mit Linux vertragen. Außerdem hat ein großer Teil dieser Firmen im Gegensatz zu Großunternehmen nicht die notwendigen Ressourcen, um Tests vorzunehmen – denn auch kleine Firmen sehen in einem Systemwechsel in ihrer IT ein Wagnis.

Die Situation hat sich aber inzwischen verändert. Die notwendige kritische Masse an Anwendungen ist erreicht, so dass auch für den Mittelstand der Umstieg möglich wird. Außerdem ist so viel Linux-Know-how verfügbar, dass es kein Problem ist, jemanden zu finden, der Migration und Betrieb unterstützt. Jetzt muss der Mittelstand nur noch aufwachen und die Vorteile erkennen, die auch ihm mit Linux offenstehen.

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ZDNet.de Redaktion

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