Microsoft: Cloud-Euphorie im Schneckentempo

Die Frage nach der Profitabilität von Cloud-Computing für den Anbieter sollte nicht unterschätzt werden. Bei näherer Betrachtung kann Microsoft nämlich im Grund gar kein Interesse an einer schnellen Verbreitung der neuen Möglichkeiten haben. Warum das so ist, wird deutlich, wenn man die Ausgangslage von Microsoft und Amazon vergleicht.

Amazons Online-Einzelhandelsgeschäft ist durch kleine Gewinnmargen gekennzeichnet. Microsofts Software- und Technologiegeschäft dagegen verspricht traditionell hohe Margen. Die vergleichsweise ungünstige Ertragslage von Amazon bildet aber einen starken Anreiz dafür, eine hocheffiziente und hochautomatisierte IT-Umgebung zu schaffen – die wiederum die Grundlage für eine Reihe von Cloud-Computing-Diensten bildet, die günstig genug angeboten werden können, um eine große Zahl von Kunden anzusprechen.

Ganz anders bei Microsoft – und übrigens auch bei vielen anderen großen Hightech-Firmen: Für sie gibt es fast nichts Schlimmeres, als große Summen in langfristige Geschäftsmodelle mit niedrigen Margen zu investieren. Noch dazu, wenn diese Geschäftsmodelle eine potenzielle Gefahr für ihre etablierten, sehr ertragreichen Verkaufsstrategien darstellen.

Ein Rechenbeispiel macht deutlich, worum es eigentlich geht: Amazon kommt bisher auf den einzelnen Mitarbeiter gerechnet etwa mit einem Fünftel des Gewinns aus, den Microsoft erzielt. Selbst wenn sich dieser Wert beim Cloud-Computing auf die Hälfte hochschreiben ließe, wäre Amazon sicher mehr als zufrieden, für Microsoft dagegen wäre derselbe Wert ein Desaster. Daher ist Microsofts Azure-Announcement zwar möglicherweise technologisch interessant, wie es sich wirtschaftlich umsetzen lässt, bleibt dagegen offen.

Die geplanten Office-on-the-Web-Angebote, „Office Web Applications“, sind aber noch wesentlich weniger ausgereift als Azure. Das wird deutlich, nachdem jetzt Details über die eigentlich nur für interne Zwecke gedachte „Technology Preview“ durchgesickert sind. Am internen Test, der im November begann und bis Februar dauern soll, sind weniger als 1000 Microsoft-Mitarbeiter beteiligt.

Externe Testanwender werden frühestens erst irgendwann im Laufe des kommenden Jahres Gelegenheit haben, die Angebote auszuprobieren. Microsoft-Kenner rechnen nicht damit, dass das Angebot vor 2010 marktfähig ist und startet. Genügend Zeit also für Google, sein von Steve Ballmer kürzlich teilweise zu Recht kritisiertes Angebot Text & Tabellen zu verbessern.

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ZDNet.de Redaktion

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