Im Sommer 2008 war für IT-Freelancer und Dienstleister die Welt noch in Ordnung: Die Stundensatz-Auswertung der Projektjobbörse Gulp hatte damals ergeben, dass die Stundensätze weiterhin anstiegen, die IT-Freiberufler fordern konnten. Auch die Marktbeobachter von Pierre Audoin Consultants stellten damals in einer Umfrage fest, dass ein Großteil der deutschen IT-Dienstleister nach einer mehrjährigen Durststrecke wieder mit steigenden Preisen rechnete. Die Einnahmen wollten sie jedoch nur bedingt an ihre Mitarbeiter weitergeben. Von den IT-Fachkräften profitierten vom Anstieg der Tagessätze vor allem erfahrene Mitarbeiter und SAP-Spezialisten.
Inzwischen sind jedoch dunkle Wolken am Horizont aufgezogen. Laut einer aktuellen Gulp-Umfrage unter 202 IT-Freiberuflern und 62 Projektanbietern sind erstmals seit 2004 wieder stagnierende Stundensätze wahrscheinlich. Nur 18 Prozent der Projektanbieter – und damit 38 Prozent weniger als bei der Umfrage vor zwei Jahren – glauben noch an weiter steigende Honorare. Jeweils rund die Hälfte der befragten Projektanbieter und der Freiberufler rechnet derzeit mit stagnierenden Stundensätzen. 34 Prozent der Projektanbieter und 26 Prozent der Freiberufler rechnen in Zukunft sogar mit fallenden Stundensätzen.
Dass die Preise unter Druck geraten sind, zeigt auch das Ergebnis auf die Frage nach der Untergrenze für den Stundensatz, unter der ein Projektanbieter nicht einkaufen sollte. Nur für 63 Prozent der Projektanbieter gibt es momentan solche eine Schamgrenze. Das sind deutlich weniger als in der Vergangenheit. Vor zwei Jahren haben noch 83 Prozent von ihnen eine Untergrenze gesehen, vor vier Jahren 80 Prozent. Dagegen behaupten noch 88 Prozent der Freiberufler, es gäbe für sie eine Stundensatz-Untergrenze, unter der ein Selbstständiger seine Arbeitsleistung nicht anbieten sollte.
Mittelfristig könnte sich das aber ändern, dürfte es doch immer schwieriger werden, diesen Anspruch angesichts der neuen Anstellung bei den Projektanbietern auch durchzusetzen. Denn fast zwei Drittel der Projektanbieter gaben an, dass die Höhe des Stundensatzes in erster Linie von Angebot und Nachfrage bestimmt werde. Die Leistung des externen Mitarbeiters hielt nur ein Fünftel der Projektanbieter für entscheidend für den Preis. Die Faktoren „IT-Erfahrung“ und „fachliche Qualifikation“ wurden dagegen als weniger bedeutsam für das zu zahlende Entgelt betrachtet als in den vergangenen Jahren.
Naturgemäß teilen IT-Freiberufler diese Einstellung nicht: Noch denken 38 Prozent von ihnen, dass die Leistung über den Preis entscheidet – aber das könnte sich aufgrund des Stimmungsumschwungs und der neuen Gewichtung der Auswahlmerkmale bei den Projektanbietern in den kommenden Monaten als fataler Irrtum herausstellen.
Besonders für ältere Fachkräfte hat sich die Lage wieder verschlechtert: Während „Auftreten & Verhandlungsgeschick“ und „fachliche Qualifikation“ von Anbietern und Käufern jeweils als gleich bedeutsam für die Preisbildung erachtet wurden, zählt der Aspekt „Erfahrung“ auf der Nachfrageseite kaum noch etwas: Nur zwei Prozent sehen dadurch eine höhere Bezahlung für den externen Mitarbeiter gerechtfertigt.
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