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Vom alten Eisen und Fachkräftemangel

Ich bin gefühlte 30, naja, sagen wir mal 35 Jahre alt. Mein Ausweis sagt, dass ich vor wenigen Wochen 46 geworden bin. Für die IT-Industrie bin ich somit ein alter Sack und mithin nutzlos. So die Erkenntnis nach dem Lesen des mir beim Stöbern auf ZDNet.de aufgefallenen Artikels „IT-Fachkräfte in der Krise: Ab 40 wird ausgemustert„. Darin geht es darum, dass die IT-Industrie diese Personen systematisch ausmustert. In einem anderen Artikel -“IT-Fachkräftemangel: Not macht erfinderisch“ – jedoch wird gejammert , dass sich nicht genügend Mitarbeiter finden. Geht’s noch?

Ich glaube fest daran, dass man nur so alt ist, wie man sich fühlt. Ich kenne genügend Menschen in meinem Alter und weit darüber hinaus, die mehr Energie, Motivation und aufgrund der langjährigen Berufserfahrung auch Wissen haben, als die meisten der von der IT-Industrie favorisierten 25- bis 35-Jährigen.

Warum also wird auf der einen Seite beständig ausgemustert und auf der anderen Seite verzweifelt nach Ersatz gesucht? Ich weiß es nicht. Allerdings habe ich – Achtung, jetzt kommt meine so verschmähte Berufserfahrung zum Tragen – diverse Beobachtungen gemacht.

Ältere Mitarbeiter lassen sich nicht mehr ausbeuten und werden damit scheinbar weniger leistungsfähig. Die Betonung liegt auf „scheinbar“. Die meisten von uns haben ihr Burn-out-Syndrom und stressbedingte Krankheiten schon hinter sich gebracht – und sie haben daraus gelernt. Ernsthaft. Gerade in unserer Branche sind Nervenzusammenbrüche, Magengeschwüre und Herzbeschwerden eine Erfahrung, die jeder schon einmal gemacht hat. Wenn nicht bei sich selbst, so doch bei einem Kollegen.

Ich kann mich an weinende, vollkommen überforderte Kollegen genauso erinnern, wie an Notarzteinsätze wegen Verdachts auf Herzinfarkt. Mich selbst hat es mit knapp 35 erwischt. Eine stressbedingte, hartnäckige Neurodermitis machte mir das Leben zur Hölle. Wer so etwas mal mitgemacht hat, überdenkt, was er seinem Körper zumuten kann, und ändert seine Work-Life-Balance. Oder er geht vor die Hunde.

Ich habe außerdem einen Verdacht: Viele verantwortliche Manager in der IT-Industrie sind nicht gerade das, was man als jung und am Puls der Zeit bezeichnen würde. Ich meine den Typ Führungskraft, der selbstzufrieden und von einer autokratischen Aura umgeben in seinem Büro hockt. Er zehrt von seinen Erfolgen, die er vielleicht in jungen Jahren hatte, hat aber ansonsten den Anschluss ans Jetzt verloren. Man erkennt solche Typen daran, dass sie es gerade noch schaffen, ihre Korrespondenz per Outlook zu bewältigen, aber schon mal gerne eine 20-Megabyte-Powerpoint-Präsentation per E-Mail an alle versenden. Tief in ihrem Innersten haben sie eine Ahnung davon, dass sie nicht auf der Höhe der Zeit sind. Sie schließen von sich selbst auf andere und mustern deshalb ihre Altersgenossen aus.

Gerechterweise muss ich allerdings auch zugeben, dass ich ältere Arbeitnehmer kenne, die einfach stehen geblieben sind, keine Motivation haben und nur für die Freizeit leben. Das Wörtchen „älter“ möchte ich in diesem Zusammenhang explizit nicht auf das biologische Alter beziehen, sondern auf das geistige. Solche Typen können nämlich durchaus auch mal nur 30 Jahre jung sein.

Also, liebe Verantwortliche in der IT-Industrie: Leistungsfähigkeit und Motivation sind keine Frage des Alters, sondern eine Frage des Personalmanagements und des Anstands. Wenn Sie nicht in der Lage sind, einen Mitarbeiter – unabhängig von seinem Alter – zu motivieren, dann machen Sie etwas falsch – und nicht der Mitarbeiter. Was den Anstand betrifft: Ausbeutung von Mitarbeitern, sie also permanent zwölf und mehr Stunden am Tag sowie die Wochenenden hindurch schuften zu lassen, ständig unter Druck zu halten und zu nachtschlafender Zeit mit E-Mails auf den Blackberry zu bombardieren, das ist eine Führungsstil, der nun wirklich veraltet und einfach ganz erbärmlich ist.

ZDNet.de Redaktion

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