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Ausfall bei Salesforce.com: na und?

Inzwischen wissen wahrscheinlich die Hälfte des bekannten und zwei Drittel des noch zu entdeckenden Universums, dass es am 6. Januar bei Salesforce.com einen Ausfall gab. Grund war eine fehlerhafte Speicherzuordnung in den Hauptservern, die sich auch auf die Failover- und Backup-Server auswirkte. Der Fehler wurde daher von Hand behoben. Nach 38 Minuten war der Dienst wieder verfügbar. Die Zahl der Transaktionen lag an diesem Tag ebenso wie am folgenden bei 177.000.000. Allerdings dauerte eine einzelne Transaktion am Tag des Ausfalls durchschnittlich etwas länger (0,320 Sekunden) als an dem danach (0,266 Sekunden).

Noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen – könnte man denken. Aber weit gefehlt!
Ein Aufschrei ging durch die Welt: Wie konnte so etwas nur passieren! Aber was noch viel mehr erstaunt als die Aufregung selbst, das ist die Form, die sie in den Medien angenommen hat – angefangen beim offensichtlich lächerlichen bis hin zum unterschwelligen Schwachsinn. Ein paar Beispiele gefällig? Bitteschön.

Fangen wir mit dem Offensichtlichen an. „Salesforce.com…..war für den Großteil einer Stunde nicht erreichbar“. Na ja, technisch gesehen kann man dem Schreiber keinen Vorwurf machen, da 38 Minuten ja tatsächlich mehr als die Hälfte und damit der Großteil einer Stunde sind. Aber die Formulierung könnte eben auch bei 59 Minuten benutzt werden – und die Differenz von 21 Minuten sind viel Zeit, wenn ein System ausgefallen ist.

Derselbe Artikel stellt zudem das Konzept der Cloud insgesamt in Frage, indem er behauptet, „eine einzelne Unterbrechung lähmte einen kleinen Teil der Weltwirtschaft komplett“. Ich will Salesforce.com nicht zu nahe treten, aber ich bin mir sicher, dass es sich um einen sehr, sehr, sehr, sehr, sehr, sehr, sehr kleinen Teil der Weltwirtschaft handelte. Die augenblickliche Rezession dürfte da ein bisschen mehr ins Gewicht fallen.

Die Schlussfolgerung aus all dem: Vielleicht sollten wir nicht alles auf eine Karte setzen, denn wie uns der Ausfall zeige, habe auch die Cloud eine dunkle Seite …

Verwirrung auch an anderer Stelle: „Das Problem vereitelte über 177.000.000 Transaktionen“, heißt es da. An dem Tag gab es 177.000.000 Transaktionen. Es wäre doch ausgesprochen merkwürdig, hätten die alle genau in den in Frage kommenden 38 Minuten ausgeführt werden sollen. Ganz abgesehen davon, dass während des Ausfalls auch kein Logfile geschrieben wurde und es daher schlichtweg unmöglich ist, zu wissen, wie viele in dem Zeitraum überhaupt versucht wurden.

Auch die Überschrift Salesforce Outage Darkens Cloud Computing, also etwa „Salesforce-Ausfall knipst Cloud Computing aus„, wirkt etwas übertrieben. Weder hat Godzilla New York oder Tokyo überrannt, noch kam es zu einer Invasion außerirdischer Heerscharen mit dem Ziel, die Menschheit auszulöschen. Es war einfach ein Ausfall – eine Unterbrechung, verursacht durch ein technisches Problem, das behoben wurde. Auch verschwanden nicht mehrere Milliarden Bargeld, noch kollabierte die Börse.

Nochmal zum Mitschreiben: Es war ein A U S F A L L.

War es ein Problem? Selbstverständlich. Von allen Cloud- und On-Demand-Diensten sowie allen ISPs wird eine Verfügbarkeit von 99,99 Prozent erwartet. Mit dem Problem vom 6. Januar hat Salesforce.com dieses Ziel 2009 schon in der ersten Woche verfehlt. Schade.

Aber erinnern wir uns zurück: Es gab bei Salesforce.com auch in der Vergangenheit schon Ausfälle. Zugegeben kürzere. Sie wurden behoben, und das Leben ging erstaunlicherweise weiter. Salesforce.com konnte sogar seinen Umsatz und seinen Gewinn steigern.

Die Cloud in Frage zu stellen, weil ein paar Server 38 Minuten nicht erreichbar waren, ist also wohl etwas übertreiben. Ich kann mich zum Beispiel nicht erinnern, dass nach Ausfällen bei Internetprovidern, kürzlich etwa M-Net in München – die ja durchaus dazu führen, dass zahlreiche Haushalte und Firmen stundenlang keinen DSL-Zugang haben – irgendjemand die Forderung erheben würde, die Nachbarschaft in Quarantäne zu schicken, damit sich die „Zugangspunkt-Fehler-Krankheit“ nicht unkontrolliert ausbreitet.

Oder können Sie sich vorstellen, dass nach einem Fehler in mehreren Knoten eines größeren ISPs – wodurch eine ganze Menge Menschen keinen Internetzugang mehr hätten – die Forderung nach der Zerschlagung dieses ISPs oder gar der Abschaltung des Internets laut würde? Ich mir nicht. Also dann, bis zum nächsten Ausfall…

(Paul Greenberg)

ZDNet.de Redaktion

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