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Schäuble macht Köln zur Schnüffelhauptstadt

Wenn Stasi-1.0-Minister Erich Mielke ein Telefon abhören wollte, dann sorgten seine Leute innerhalb von Minuten dafür, dass das auch klappte. Stasi-2.0-Minister Wolfgang Schäuble musste jüngst erkennen, dass ihm der in der BRD verbliebene Restföderalismus ständig Knüppel zwischen die Beine wirft. Ganze 75 Abhörzentralen befinden sich überall in der Provinz verteilt.

Die gehören zum großen Teil den Bundesländern. Will Schäuble einen Landwirt aus Schneizlreuth wegen Terrorismusverdachts abhören, muss er in München „Männchen machen“. Das Ergebnis ist obendrein, dass statt abgehörter Gespräche nur eine E-Mail mit Begriffen wie VoIP, AES-256-Bit und SRTP zurückkommt, in der die Landesabhörzentrale ihr Bedauern ausdrückt.

Dass sich Deutschland mit derartiger Schnüffelinfrastruktur nicht vor den Gefahren des 21. Jahrhunderts schützen lässt,  ist schon schlimm genug. Viel schlimmer ist jedoch, dass sich Schäuble auf internationaler Bühne lächerlich macht. Schließlich muss er befürchten, dass eine der vielen Karikaturen in jedem Büro des US-Heimatschutzes hängt. Sein französischer Kollege zieht ihn damit auf, dass schon Napoleon gewusst habe, Föderalismus tauge nichts.

Nicht länger will sich Schäuble anhören, dass seine Stasi 2.0 bestenfalls Beta-Status habe. Jetzt werden ordentlich Steuergelder in die Hand genommen und ein RTM-Date festgesetzt. Beim Bundesverwaltungsamt in Köln wird eine richtige Abhörzentrale gebaut, wie das Nachrichtenmagazin Der Spiegel erfahren konnte. Sogar echte Kryptospezialisten werden angeheuert.

Unser fiktiver Landwirt aus Schneizlreuth wird möglicherweise davon gar nichts mitbekommen. Er hat lediglich aus der Vielzahl der kombinierten DSL-/Telefonflatrates die günstigste herausgesucht und sein altes Telefon in die prompt gelieferte Fritz!Box gestöpselt. Dass seine Gespräche jetzt per VoIP abgewickelt werden, weiß er gar nicht.

Das weiß dafür Sohnemann, der in München Informatik studiert. Der hat am Telefon #96*7* eingegeben, sich per Telnet in die Fritz!Box eingeloggt und anschließend in der Voip.cfg ENUM und SRTP aktiviert. So kann die Tante in Australien durch einfaches Wählen ihrer Telefonnummer kostenlos erreicht werden.

Die Gespräche mit der Tante laufen jetzt nicht mehr über ein öffentliches Telefonnetz. Fordern die Spezialisten aus der neuen Stasi-2.0-Zentrale vom Provider einen Mitschnitt der IP-Pakete, werden sie nur Rauschen hören.

Natürlich sind die Vorteile einer Stasi-2.0-Abhörzentrale nunmehr klar: Die E-Mail „wir bedauern, dass der Terrorverdächtige VoIP, SRTP und AES benutzt“ bekommt Schäuble jetzt von seinen eigenen Leuten – und nicht von provinziellen Amateurschnüfflern aus Bayern, denen man nicht trauen kann. Mielke wäre stolz.

ZDNet.de Redaktion

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