Experten-Interview: Wie Firmen mit Geschenken Geld verdienen

ZDNet: Glauben Sie wirklich, dass ein Konzern wie Microsoft den Spatz in der Hand so einfach gegen die Taube auf dem Dach eintauschen sollte?

Anderson: Das Beste, was ein Milliardär und Philanthrop wie Bill Gates tun könnte, der sich viel um Entwicklungsländer und das One-Laptop-per-Child-Projekt kümmert, wäre, Netbooks so günstig und so breit wie möglich verfügbar zu machen. Wenn Microsoft sich nicht traut, dann schlage ich in aller Bescheidenheit vor, dass sich die Gates Foundation eine weltweite Lizenz beschafft und diese der Menschheit schenkt. Am Ende verdient Microsoft damit wahrscheinlich sogar noch mehr Geld.

ZDNet: Wie kann man denn die Menschen in der digitalen Wirtschaft dazu bringen, für etwas zu bezahlen, wo sie sich inzwischen an die Kostenlos-Kultur gewöhnt haben? Ist es nur eine Frage der Zahlungsabläufe und würden Ein-Klick-Zahlungsmodelle weiterhelfen oder gilt es, eine große psychologische Barriere zu überwinden?

Anderson: Jedes Mal, wenn wir einen Preis sehen, stellen wir uns doch dieselbe Frage: „Ist es das wert?“ Muss man sich diese Frage nie stellen, setzt das die Hemmschwelle deutlich herab. Wer sein Geld mit Micropayment verdienen will, muss all die an einen Preis gebundenen psychologischen Hürden überwinden, wird aber für die Mühe in jedem Einzelfall nur mit ganz geringen Umsätzen belohnt. Ich denke, Micropayment ist generell eine Fehlentwicklung. Im richtigen Kontext kann es aber durchaus funktionieren: etwa, wenn Services oder Produkte über die Mobilfunkrechnung abgerechnet werden.

Bei Online-Spielen verwischt sich die Grenze zwischen virtuellen und realen Währungen. Dieser Bereich betrifft aber erst eine Minderheit der Nutzer. Im Allgemeinen verursachen Micropayments aber mehr Probleme, als sie wert sind: Sie bremsen die Verbreitung von Angeboten, und die Buchhaltung ist ein Alptraum.

ZDNet: Sie sprechen bei der Umwandlung von freien Angeboten in Profit vor allem über neue Firmen. Geraten die großen, etablierten Konzerne mit Milliardenumsätzen bei diesem Innovationstempo allmählich ins Hintertreffen?

Anderson: Ich glaube nicht. Es ist heute schon schwer, eine Software-Firma zu finden, die das „Freemium“-Modell nicht in irgendeiner Art und Weise nutzt. Aber auch in anderen Bereichen hat es sich vielfach durchgesetzt, man denke nur an den Mobilfunkmarkt. Die Automobilhersteller sind vielleicht die letzte ungefährdete Bastion der alten Wirtschaft.

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ZDNet.de Redaktion

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