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Wer weiß heute schon, was das Internet ist?

Internet ist, wenn man www.example.com in den Browser eintippt und dann auf dem Bildschirm etwas erscheint. Das muss ja stimmen, da man heute so viele Schlagzeilen wie Das Internet wird 20 oder Happy Birthday Internet lesen kann. Allerdings scheint irgendetwas an der ganzen Geschichte faul zu sein.

Wenn das Internet heute 20 Jahre wird, wie kann es dann sein, dass ich schon 1987 fleißig von Servern wie ftp.simtel20.army.mil oder ftp.wuarchive.wustl.edu Free- und Shareware für meinen IBM-XT-Clone heruntergeladen habe. Fraglich erscheint mir auch, woher die ganzen E-Mails mit dem Feedback zu meinem Diskettenformatierprogramm FDFORMAT kamen.

Das Internet ist natürlich viel älter als das World Wide Web. Und beides hat eigentlich nicht besonders viel miteinander zu tun. Das Internet ist ein weltweites Netz, das alle angeschlossenen Knoten, meistens Computer, frei miteinander kommunizieren lässt. Es ist von seinem Wesen her ein Peer-to-Peer-Netzwerk. Jeder kann gleichermaßen Anbieter und Nutzer von Diensten werden. Natürlich war das Internet vor der Erfindung des World Wide Web nur einer relativ kleinen Zielgruppe zugänglich, die bereit war, sich einiges Wissen anzueignen, wie man so ein Netz mit Kommandozeilenbefehlen bedient. Ein Massenerfolg wurde es freilich erst mit dem World Wide Web. Aber das ist nur ein Dienst neben vielen anderen wie E-Mail, VoIP, Instant Messaging oder Remote Desktop, die man im Internet betreiben kann.

Viele Nutzer, und offensichtlich auch einige Fachjournalisten, setzen das Internet mit dem World Wide Web gleich. Diese Denkweise birgt eine größere Gefahr, als man im ersten Moment denkt, denn sie impliziert, dass man sich "im Internet" befindet, wenn man Zugang zu den wesentlichen Diensten hat. Echter Teilnehmer im Internet ist man jedoch nur mit einem Rechner, der eine öffentliche IP-Adresse hat. Ist dieser Umstand nicht gegeben, ist man auf die ein oder andere Weise beschränkt. Mit Tricks wie NAT, Portforwarding und VPN kann man diese Beschränkungen nur teilweise wieder lockern.

DSL-Anbieter bieten ihren Kunden meist eine öffentliche IP-Adresse. Damit kann man genau einen Computer zum fast vollwertigen Teilnehmer des Internets machen. Eine kleine Beschränkung besteht darin, dass viele DSL-Anbieter nur dynamische IP-Adressen anbieten, die sich täglich ändern. Mit UMTS ist es hingegen überhaupt nicht möglich, "ins Internet" zu gehen, denn alle vier deutschen Mobilfunknetze geben ihren Kunden gar keine öffentliche IP-Adresse. Man erhält also nur einen Gateway-Zugang zu vielen, aber längst nicht allen Diensten des Internets. Faktisch ist das kein Internet-Zugang.

Dies wird vor allem deswegen hingenommen, weil man ja nach der  Formel "Internet = World Wide Web" seinen Browser nutzen kann. Man ist allerdings alles andere als ein gleichberechtigter Teilnehmer in einem Peer-to-Peer-Netzwerk. Die technischen Beschränkungen werden noch flankiert von AGB-Bestimmungen, etwa dem Verbot bestimmter Dienste wie VoIP und Instant Messaging. Nicht viel besser verhalten sich manche DSL- und Kabel-Provider, die den Betrieb von Servern verbieten.

Das alles sind eklatante Verstöße gegen die Netzneutralität. Die Aufgabe eines Internetproviders ist es, Pakete bestmöglich vom Absender zum Empfänger zu transportieren. Der Inhalt geht ihn schlicht und ergreifend nichts an, denn jede Kenntnisnahme verstößt gegen das Post- und Fernmeldegeheimnis. Auch wenn Mobilfunkprovider um ihr Geschäftsmodell mit überteuerten Handy-Gesprächen und SMS fürchten, müssen sie sich als Internetprovider in jeder Hinsicht neutral verhalten. Notfalls muss hier der Gesetzgeber eingreifen. Dass das Internet langsam aber sicher auf einen WWW-Zugang reduziert wird, darf man nicht zulassen.

ZDNet.de Redaktion

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