Was das Open Cloud Manifest wert ist

Auch eine Amazon-Sprecherin äußert sich sehr zurückhaltend: „Wir haben erst kürzlich von dem Manifest erfahren. Wie alle anderen Vorschläge für Standards und Verfahren werden wir auch diesen prüfen.“ Von Kunden habe man aber bisher gehört, dass der beste Weg, Offenheit und die Einhaltung von Standards zu beweisen, der sei, sich im Tagesgeschäft und bei den eigenen Angeboten danach zu richten.

In den vergangenen drei Jahren habe Amazon seine Web-Services daher auf mehreren Plattformen, mit mehreren Programmiersprachen und für mehrere Betriebssysteme bereitgestellt. Man sehe eine kontinuierliche Weiterentwicklung der Standards. Letztendlich seien die am besten geeignet, die den Bedürfnissen der Kunden am ehesten entsprächen. Auf Deutsch heißt das: Wir wissen auch noch nicht, wohin die Reise einmal geht.

Die Antworten sind so vage wie das Manifest (PDF) selbst. Je nachdem, von welchem Standpunkt aus man es liest, enthält es nicht viel mehr als heiße Luft. Und für Firmen, die bisher ganz gut Geld damit verdient haben, dass sie proprietären Code entwickelten, lässt es schon gar keinen Raum. Welche Standards beim Cloud Computing am besten funktionieren und welche am angemessensten sind, ist derzeit übrigens noch völlig unklar.

Wenn man zudem davon ausgeht, dass der Standardisierungsprozess – wie in anderen IT-Bereichen auch – vor allem durch firmenpolitische Erwägungen bestimmt sein wird, dann müsste jede Firma, die bereits erhebliche Beträge in den Aufbau eigener Cloud-Infrastrukturen investiert hat, mit dem Klammerbeutel gepudert sein, um das Manifest zu unterschreiben.

Ein Kampf um APIs?

Verkürzt könnte man auch davon sprechen, dass sich am Horizont ein Kampf um APIs abzeichnet. Ein Ausschnitt aus dem Manifest weist darauf hin: „Ohne Standards wäre die Möglichkeit, Systeme in das eigene Unternehmen zurückzuholen, durch proprietäre APIs eingeschränkt. Hätte sich ein Unternehmen einmal entschieden, die Cloud-Angebote eines Anbieters zu nutzen, würde deren Rückführung in das Unternehmen erfordern, dass die Infrastruktur des Cloud-Anbieters nachgebaut oder das System verändert wird, um die eigene Infrastruktur nutzen zu können.“

Das gesamte Dokument ist von einem Open-Source-Standpunkt aus verfasst. Firmen, die APIs haben, die proprietär sind oder es werden könnten, dürften sich dadurch sehr eingeschränkt fühlen. Außerdem tendiert das Dokument dahin, Firmen nahezulegen, von neuen Standards Abstand zu nehmen. Und die Forderungen auf Seite fünf richten sich ganz klar gegen Microsoft.

Der Inhalt des Manifestes klingt zwar beim ersten Lesen vernünftig. Zum Beispiel, dass es Kunden problemlos möglich sein sollte, von einem Cloud-Anbieter zum anderen zu wechseln. Für alle, die früh in den Markt eingestiegen sind und sich deshalb zunächst selbst behelfen mussten, ist das aber ein Problem. Und könnten nicht Microsofts Azure oder Force.com irgendwann selbst zum Standard werden? Spielt es für Kunden wirklich eine Rolle, ob die Software proprietär ist oder nicht – so lange sie frei von einem Anbieter zum anderen wechseln können?

Für Firmen, die bereits ein Angebot haben, ist es also viel zu früh, sich auf ein Manifest festzulegen, solange Cloud Computing noch in den Kinderschuhen steckt. Man stelle sich nur einmal rein theoretisch vor, IBM hätte ein gerade flügge gewordenes Cloud OS, eventuell auf Basis von Tivoli. Würde Big Blue das eigene Manifest in einem so frühen Stadium der Marktentwicklung dann auch unterschreiben?

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ZDNet.de Redaktion

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