An amerikanischen Universitäten herrscht noch Zucht und Ordnung. Für langhaarige Geisteswissenschaftler im 40. Semester, die nicht zu den Vorlesungen gehen, weil sie gerade an Eisenbahnschienen gekettet sind, auf denen Castor-Transporte stattfinden sollen, ist dort kein Platz.

Damit europäisch-liberales Gedankengut erst gar nicht aufkeimt, müssen Studenten in den ersten Semestern auf dem Campus wohnen. Dort wacht die Campus Police über die Einhaltung der Verhaltensregeln. Am Boston College wurde trotz dieser guten Fürsorge ein schweres Verbrechen verübt. Ein unbekannter Täter behauptete auf einem größeren E-Mail-Verteiler, dass ein Student schwul sei.

Die Campus Police brauchte nicht lange, um einen vermeintlich Schuldigen zu haben. Der Informatikstudent Riccardo F. Calixte, ein Mitbewohner des verleumdeten Studenten, musste einfach der Täter sein. Dummerweise brauchte man Beweise und konnte einen Student nicht einfach so des College verweisen. Dazu bot sich eine Hausdurchsuchung an. Auf Calixtes Computern würden sich die notwendigen Beweise schon finden.

Aber wieder wurden den fleißigen Polizisten rechtsstaatliche Knüppel zwischen die Beine geworfen. Für eine Hausdurchsuchung benötigt man einen richterlichen Beschluss. Den bekommt man nur, wenn man ihn beantragt. Damit nicht genug. Wenn man seinen Antrag nicht begründet, schüttelt der Richter nur mit dem Kopf.

Die Campus Police lässt sich jedoch nicht beirren. Denn die Verdachtsmomente, die die Polizei alle von Calixtes Mitbewohner erhält, sind immens und werden sofort niedergeschrieben: Calixte tauche häufig mit unbekannten Laptops auf, von denen er behaupte, er habe sie testweise vom College oder repariere sie für andere Studenten. Außerdem benutze er mehrere Namen, um sich anzumelden und verwende zwei Betriebssysteme, von denen eines gar nicht das normale Boston-College-Betriebssystem sei, sondern eines mit einem weißen Font auf schwarzen Bildschirm, dass er für Kommandozeilen-Befehle benutze.




So begründen US-Polizisten eine Hausdurchsuchung: Verdacht auf Linux-Nutzung (Quelle: eff.org)

Das reichte dem Richter natürlich für einen Durchsuchungsbeschluss aus. Die Fähigkeit, ein anderes Betriebssystem als Windows bedienen zu können, kann man schließlich weder legal erwerben noch für etwas anderes benutzen, als illegale Aktivitäten zu verbergen. Darüber hinaus gibt es weitere schwere Verdachtsmomente gegen Calixte, die man dem Antrag (PDF) entnehmen kann: Sein Mitbewohner will ferner gesehen haben, dass Calixte die Noten von Kommilitonen im College-Computer verändert habe. Außerdem sei dem College einmal ein Computer gestohlen worden. Dabei habe man Calixte verdächtigt. Calixte habe auch den nagelneuen Computer seines Mitbewohners eingerichtet. Nachdem Calixte und er sich überworfen hätten, stürze der Computer häufig ab.

Na bitte, wer jetzt noch an Zufälle glaubt, hat doch jeden Sinn für Realität verloren. Wer so schwer von seinem Mitbewohner belastet wird, der muss doch Dreck am Stecken haben. Die Hausdurchsuchung fand am 30 März 2009 statt. Neben Computer und Zubehör schnappten sich die Beamten des Boston College Police Department mit den herbeigerufenen Kollegen der Massachusetts State Police auch Calixtes iPod, Digitalkamera und Handy.

Die EFF hat die Verteidigung von Calixte übernommen und verlangt die Rücknahme des Beschlusses sowie die Herausgabe von Calixtes Eigentum. Die EFF argumentiert, dass die behaupteten Straftaten gar nicht begangen worden seien, weil die Vorwürfe „Automatenbetrug“ und „unbefugter Zugang zu einem Computersystem“ nicht zuträfen. Automatenbetrug komme nicht in Frage, da keine Leistung erschlichen wurde, die normalerweise bezahlt werden müsse. Ebenso könne der Versand einer E-Mail nicht als unbefugter Zugang zu einem Computersystem gewertet werden.

Das sind natürlich keine Argumente. Da hätte die EFF mal den Durchsuchungsbeschluss-Antrag besser lesen sollen. Der Mitbewohner habe der Polizei schon einmal unaufgefordert Straftaten gemeldet und sich dabei als glaubwürdiger Zeuge erwiesen. Wenn so jemand eine Beschuldigung ausspricht, dann ist da auch was dran.

ZDNet.de Redaktion

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