Das Security and Stability Advisory Committee (SSAC) der ICANN hat sich in einem gestern vorgestellten Papier (PDF) vehement gegen „künstliche DNS-Antworten“ und DNS-Umleitungen ausgesprochen, wie sie das am Donnerstag verabschiedete Internetzensurgesetz vorschreibt. Zwar fokussiert das Papier primär auf Wildcardumleitungen seitens der Top-Level-Domains (TLD), jedoch stellte Co-Autor und SSAC-Mitglied Jaap Akkerhuis gegenüber heise online klar, dass auch die Stopp-Schilder gegen kinderpornografische Seiten eine Art von Wildcarding seien. Zu den Autoren zählt ferner DNS-Guru Paul Vixie, der seit 1988 maßgeblich an der Entwicklung des DNS-Servers BIND beteiligt ist.

„Wir empfehlen der ICANN, alle möglichen Schritte gegenüber den verantwortlichen Stellen zu unternehmen, um eine solche Nutzung zu verbieten“, heißt es in dem Papier, das damit seine Kritik gegen TLD-Betreiber richtet. Weiter schreiben die Autoren: „Wir empfehlen der ICANN ebenfalls, unsere Vorbehalte gegenüber Dritten bekanntzumachen, die in der Lage sind, unabhängig von der ICANN zu arbeiten, um sicherzustellen, dass die Gefahren, die sich aus Umleitungen und künstlichen Antworten ergeben, nicht nur von den TLDs, sondern auch von untergeordneten DNS-Hierarchien verstanden werden. Diese sollen die Konsequenzen sorgfältig abwägen und Maßstäbe setzen, die die Integrität von DNS-Antworten sowohl im Fehler- als auch im Erfolgsfall gewährleisten“.

Das SSAC beschäftige sich bereits seit 2004 mit DNS-Umleitungen und künstlichen DNS-Antworten. Bereits damals habe man in einer Analyse (PDF) dargelegt, dass Umleitungen eine Reihe bis dahin funktionierender Dienste gestört hätten. So hätten beispielsweise einige E-Mail-Dienste und Spamfilter direkt oder indirekt Kosten verursacht in Form von erhöhtem Netzwerktraffic, eingeschränkter Performance oder Arbeitsaufwand, der durch die Behebung von Fehlfunktionen entstanden sei.

Im Verlauf des Jahres 2007 hätten Sicherheitsforscher damit begonnen, unbeabsichtigte Nebenwirkungen des „wachsenden Fehlerauflösungsmarktes“ zu ermitteln, der versuche, aus falsch eingetippten Domains Kapital zu schlagen. In Deutschland geben unter anderen T-Online und Kabel Deutschland künstliche DNS-Antworten zurück, wenn sich ein Anwender beim Domainnamen vertippt. Browsernutzer landen dann auf der Suchmaschine des Providers. Andere Dienste würden durch diese absichtlich falsche Antwort möglicherweise gestört. Die Sicherheitsforscher, vor allem Dan Kaminsky, hätten darüber hinaus zusätzliche Exploits entdeckt, die durch DNS-Umleitungen erst möglich werden.

Im Januar 2008 habe man in der Analyse Vorläufiger Bericht über Veränderungen von DNS-Antworten (PDF) dargelegt, wie DNS-Antwortveränderungen Dienste jenseits des World Wide Web stören könnten, unter anderem E-Mail und Internet-Telefonie. Dabei verursachten DNS-Umleitungen im schlimmsten Fall eine DoS-Attacke gegen Unbeteiligte.


Ein Vertipper führt durch DNS-Manipulation auf die „Kabel Deutschland DNS Assistance“. Das soll die eigene Suchmaschine fördern, birgt aber die Gefahr von Störungen. Die DNS-Sperren des Zensursula-Gesetzes arbeiten nach dem gleichen technischen Prinzip (Screenshot: ZDNet).

ZDNet.de Redaktion

Recent Posts

SmokeBuster bekämpft SmokeLoader

Malware SmokeLoader wird weiterhin von Bedrohungsakteuren genutzt, um Payloads über neue C2-Infrastrukturen zu verbreiten.

38 Minuten ago

Taugen Kryptowährungen als Unterstützer der Energiewende?

Bankhaus Metzler und Telekom-Tochter MMS testen, inwieweit Bitcoin-Miner das deutsche Stromnetz stabilisieren könnten.

17 Stunden ago

Supercomputer-Ranking: El Capitan überholt Frontier und Aurora

Mit 1,7 Exaflops ist El Capitan nun der dritte Exascale-Supercomputer weltweit. Deutschland stellt erneut den…

21 Stunden ago

Ionos führt neue AMD-Prozessoren ein

Der deutsche Hyperscaler erweitert sein Server-Portfolio um vier Angebote mit den neuen AMD EPYC 4004…

21 Stunden ago

Lags beim Online-Gaming? DSL-Vergleich und andere Tipps schaffen Abhilfe

Beim Online-Gaming kommt es nicht nur auf das eigene Können an. Auch die technischen Voraussetzungen…

22 Stunden ago

GenKI-Fortbildung immer noch Mangelware

Fast jedes zweite Unternehmen bietet keinerlei Schulungen an. In den übrigen Betrieben profitieren oft nur…

22 Stunden ago