Mit neuer Führungsmannschaft und neuen Themen will die Piratenpartei die Fünf-Prozent-Hürde bei der Bundestagswahl überspringen. Der am Wochenende auf dem Bundesparteitag in Hamburg neugewählte Vorsitzende Jens Seipenbusch bezeichnete dieses Ziel als ambitioniert, und fügte hinzu, dass man auch zwei bis drei Prozent als Erfolg ansähe.
Thematisch rückte die Piratenpartei Bürgerrechte und die Freiheit des Internets in den Vordergrund. Die Neuausrichtung des Urheberrechts ist nur noch ein Thema von vielen. Viele ursprüngliche Forderungen wurden entschärft. Ausdrücklich fordern die Piraten, dass die tatsächlichen Urheber eine angemessene Vergütung erhalten. Ein Verwertungsrecht von Musikkonzernen, etwa mittels DRM zu bestimmen, wie oft ein Musikstück angehört oder auf eine CD gebrannt werden darf, lehnen sie jedoch ab.
Die inhaltliche Neuausrichtung resultiert vor allem aus dem großen Mitgliedszuwachs, die die Partei nach der Verabschiedung des Internetzensurgesetz verzeichnete, das bei vielen netzaffinen Bürgern auf Ablehnung stößt. Zwei Drittel der Mitglieder sind erst in den letzten vier Wochen der Partei beigetreten. Die Piraten fordern den Grundsatz der Netzneutralität. Die Infrastruktur des Netzes als Transportmedium müsse sich gegenüber den Inhalten neutral verhalten.
Seipenbusch erklärte heute in einem Interview mit Antenne Düsseldorf, dass man sich dafür einsetze, illegale Inhalte im Internet mit allen rechtsstaatlichen Mitteln zu bekämpfen. Eine Inhaltsfilterung dürfe jedoch nicht stattfinden. Ferner forderte er den freien privaten Austausch von Daten. Die Kommunikation zwischen Bürgern im Internet müsse der Geheimhaltung unterliegen. Er forderte die Musikindustrie auf, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, die den privaten Austausch von Musikstücken erlaube. Es hätten sich neue Realitäten entwickelt, denen man positiv begegnen müsse.
Kritiker der Piratenpartei bezweifeln, dass solche Modelle möglich sind. So bezeichnete der Bundesvorsitzende der Junge Union Philipp Mißfelder in der ARD-Sendung Berlin Direkt die Piratenpartei als „Witzpartei“. Deren Forderungen führten dazu, dass kein Geschäftsmodell im Internet überleben könne.
Eine Absage erteilte Seipenbusch der Forderung, bis zur Bundestagswahl zu Themen außerhalb der abgesteckten Kernbereiche Stellung zu nehmen. Es sei unrealistisch, dass man bis zur Wahl Vorschläge zur Lösung der Finanzkrise machen könne. Dazu müssten langfristig Strategien entwickelt werden. Man werde diese Themen baldmöglichst angehen und einen pragmatischen Ansatz jenseits klassischer Positionen wählen.
Stellung bezog der Parteichef auch zu den Vorwürfen, dass der neugewählte Ersatzrichter des Bundesschiedsgerichts Bodo Thiesen vor einigen Jahren Holocaust-Leugner unterstützt habe, was kurz nach dem Parteitag öffentlich bekannt wurde. Seipenbusch wies den Vorwurf rechtsradikaler Tendenzen in der Piratenpartei zurück. Der Vorstand einer rechtsstaatlichen Partei könne aber ein Mitglied nicht einfach hinauswerfen, wie es viele Piraten forderten. Dazu müssten die satzungsmäßigen Organe wie das Bundesschiedsgericht tätig werden. Es werde am Dienstag dazu eine offizielle Mitteilung geben.
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