Bürgerrechtler fordern Horst Köhler zum Einschreiten gegen Zensursula auf

Mehrere Bürgerrechtsorganisationen haben Bundespräsident Horst Köhler in einem offenen Brief aufgefordert, das Internetzensurgesetz wegen des offensichtlichen Verstoßes gegen die Verfassung nicht zu unterzeichnen. Darunter befindet sich der Arbeitskreis Zensur, die Vereine Mogis, Trotz Allem, FITUG und FoeBuD sowie netzpolitik.org. Vertreten werden die Unterzeichner durch den Freisinger IT-Fachanwalt Thomas Stadler, der den Blog Internet-Law betreibt.

Stadler moniert, dass dem Bund keine Gesetzgebungskompetenz zustehe, da vor allem Polizeirecht geregelt werde. Die Zugangsprovider würden lediglich als Vewaltungshelfer des BKA in Anspruch genommen. Das Bundesverfassungsgericht habe dazu bereits festgestellt, dass der Kompetenztitel des Wirtschaftsrechts sich nicht auf Vorschriften beziehe, die die öffentliche Sicherheit und Ordnung schützen sollen. Außerdem fehle es dem BKA an Verwaltungskompetenz.

Darüber hinaus sei das Gesetzgebungsverfahren fehlerhaft, so Stadler. Nach einer ursprünglich geplanten Änderung des Telemediengesetzes, die in erster Lesung im Bundestag behandelt wurde, sei in zweiter und dritter Lesung ein Spezialgesetz verabschiedet worden, für das jedoch keine erste Lesung stattgefunden habe. Bezüglich dieses Kritikpunkts ist beim Bundesverfassungsgericht bereits ein Organstreitverfahren anhängig, das der Bundestagsabgeordnete Jörg Tauss (Piratenpartei) initiiert hat.

Ferner besteht Stadler zufolge keine materielle Verfassungsmäßigkeit. Nach Artikel 20 (3) des Grundgesetzes müsse der Gesetzgeber, Grundrechtseinschränkungen selbst regeln und dürfe dies nicht der Verwaltung, etwa dem BKA, überlassen. Neben der Meinungs- und Informationsfreiheit schränke das Gesetz auch die Berufsfreiheit der Provider ein. Zudem verstoße es gegen das Fernmeldegeheimnis. Da mit dem Gesetz das erklärte Ziel nicht erreicht werden könne, sei der Grundrechtseingriff unverhältnismäßig und damit nicht verfassungskonform.

Bisher hat Horst Köhler erst zweimal die Unterschrift unter ein Gesetz verweigert. Ende 2006 kamen daher das Flugsicherungsgesetz und das Verbraucherinformationsgesetz vorerst nicht zustande. Bundestag und Bundesrat verabschiedeten anschließend Neufassungen, die die von Köhler bemängelten Vorschriften nicht mehr beinhalteten.

Nach herrschender Meinung darf ein Bundespräsident die Unterschrift nur dann verweigern, wenn es inhaltlich „offensichtlich verfassungswidrig“ ist. Daher gilt es als fraglich, ob Köhler das Gesetz tatsächlich nicht unterzeichnet. Ebenso glauben Experten, dass Köhler das formell inkorrekte Zustandekommen nicht monieren wird, da in allen drei Lesungen thematisch dasselbe Gesetzesvorhaben behandelt wurde.

ZDNet.de Redaktion

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