Mehrfachabmahnungen sind bei reinem Gebühreninteresse Rechtsmissbrauch

Abmahnungen – oder zumindest die Furcht davor – gehören für Online-Händler fast schon zum Alltag. Wie das auf Marktforschung im E-Commerce-Umfeld spezialisierte IBI Research Institut an der Universität Regensburg Anfang Juni mitgeteilt hat, wurde in Deutschland in den vergangenen zwei Jahren jeder dritte Händler mindestens einmal
abgemahnt. Aber: Nicht jede Abmahnung muss man sich gefallen lassen. Das zeigt ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts Hamm.

Die vor dem Gericht streitenden Parteien waren Wettbewerber und vertrieben beide ihre Produkte über die Online-Auktionsplattform Ebay. Die Klägerin hatte die Beklagte abgemahnt und verlangte von der Beklagten nach der Durchführung eines Verfügungsverfahrens die Erstattung der entstandenen Kosten. Die Beklagte erkannte die einstweilige Verfügung an, weigerte sich aber, die Kosten zu übernehmen. Sie hatte den Verdacht, dass die Klägerin sich aufgrund der Vielzahl der Abmahnungen rechtsmissbräuchlich verhalte.

Die Richter des Oberlandesgerichtes Hamm schlossen sich dieser Auffassung an. Sie entschieden, dass der Klägerin kein Anspruch auf Zahlung des Verfahrens zusteht (Aktenzeichen 4 U 23/09). Zur Begründung führen sie aus, dass die Klägerin die Wettbewerbsverstöße in rechtsmissbräuchlicher Weise abgemahnt habe: Innerhalb eines sehr kurzen Zeitraums habe sie fast 100 Anbieter angeschrieben und abgemahnt.

Hinzu komme, dass die Klägerin in rüder Weise selbst bei Bagatellverstößen kurze Fristen angesetzt und Fristverlängerungen per se abgelehnt habe. Zudem habe sie für jede Verletzung pauschal 100 Euro Schadensersatz verlangt, was den Eindruck verstärke, dass sie sich nicht mit dem jeweiligen Rechtsverstoß auseinander gesetzt habe, sondern schnell und ohne weiteren Aufwand Gebühren erzielen wolle.

Schließlich habe sie selbst Anbieter abgemahnt, die aufgrund eines technischen Fehlers bei Ebay eine fehlerhafte Anzeige in ihrem Angebot hatten. Für diese falsche Anzeige seien die Anbieter nicht verantwortlich gewesen. In der Gesamtschau sei es der Klägerin daher nicht um ein wettbewerbsgemäßes Verhalten gegangen, sondern nur um das Generieren von Gebühren.

Die Kanzlei Dr. Bahr kommentiert für ZDNet aktuelle Urteile aus dem IT-Bereich. Sie ist auf den Bereich des Rechts der Neuen Medien und den Gewerblichen Rechtsschutz (Marken-, Urheber- und Wettbewerbsrecht) spezialisiert. Unter www.Law-Podcasting.de betreibt sie einen eigenen wöchentlichen Podcast und unter www.Law-Vodcast.de einen monatlichen Video-Podcast.

ZDNet.de Redaktion

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