Urteil: Versandhändler haftet bei irrtümlich falschen Preisangaben

Der Rechtsanwalt Clemens Bergfort aus Essen hat vor dem Amtsgericht Fürth gegen den Versandhändler Quelle in zwei Verfahren gewonnen (Aktenzeichen 310 C 2349/08 und 360 C 2779/08). In beiden Fällen ging es um einen mit 199,99 Euro statt 1999,99 Euro ausgezeichneten Flachbildschirm der Marke Philips. In beiden Fällen muss Quelle die Geräte zum niedrigeren Preis ausliefern. Die Urteile sind jedoch noch nicht rechtskräftig, das Versandhaus kann noch Berufung einlegen.

Quelle wurden automatisierte Bestellprozesse zum Verhängnis, in die das Unternehmen nicht eingreifen konnte und die so zu einer verspäteten und damit rechtsunwirksamen Anfechtung des Kaufvertrages beziehungsweise zum Ausschluss des Anfechtungsrechts führten. Das Gericht war der Ansicht, dass ein Händler, der seinen Irrtum kennt und trotz dieser Kenntnis den Versand automatisierter Schreiben, die zum Vertragsabschluss führen, nicht unterbindet, kein Anfechtungsrecht hat.

In der Urteilsbegründung (Aktenzeichen 360 C 2779/08) heißt es dazu etwas umständlich: „Mithin wusste die Beklagte schon zwei Tage vor Fertigung und Versand dieses Schreibens und einige Stunden vor Generierung und Absendung ihrer E-Mail […], dass die von ihr in Gang gesetzte, bediente und beherrschte Maschine bei Bestellungen eines Kunden vor dem Wirkungszeitpunkt entsprechender Preiskorrektur in der Nacht zum 26. September 2007 und bei Lieferbarkeit des Produkts E-Mails mit bekanntem Inhalt mit einem Kaufpreis von 199,99 Euro pro Gerät generiert und absendet […] Diesem Prozess musste die Beklagte nicht handlungsunfähig, quasi gefesselt, zusehen […] Briefe […] kann man überdies aufhalten, bevor diese den eigenen Herrschaftsbereich verlassen.“

Im zweiten Fall (Aktenzeichen 310 C 2349/08) hat das Gericht seine Entscheidung damit begründet, dass Mängel in der kaufmännischen Organisation einem Kaufmann zuzurechnen sind. Bei einem Großunternehmen könne eine Betriebsstruktur erwartet werden, die das schnellstmögliche Beschaffen von Daten von Kunden ermöglicht, gegenüber denen die Anfechtung erklärt werden soll. Nach Ansicht des Richters ist die Tatsache, dass ein Schreiben erst mehr als zehn Tage, nachdem es verfasst wurde, auf den Weg zum jeweiligen Ansprechpartner gebracht werden konnte, nicht durch die Umstände des Falles, sondern durch Mängel der kaufmännischen Organisation bedingt.

Nach Ansicht des Anwalts sollten Online-Versandhändler darauf achten, dass sie einerseits in automatisierte Bestellprozesse jederzeit eingreifen können und andererseits die Kontrollmechanismen verbessern, um sich im Fall der Fälle nicht die Möglichkeit einer Anfechtung zu verbauen. Die schnellen Reaktionen des Otto-Versands in einem ähnlichen Fall hätten gezeigt, dass man als Händler dem System nicht auf Gedeih und Verderb ausgeliefert ist.

Aber auch die Justiz müsse sich der Dynamik des Online-Handels anpassen und dem Rechtsgefühl des Internet-Shoppers Rechnung tragen, der schnell und spontan einkaufen will. Laut Bergfort versteht dieser den im Internet-Shop präsentierten Fernseher als Angebot im Rechtssinn, das er nur anzunehmen braucht. Die Lehre von der „Einladung zur Abgabe eines Angebots“ könne er dagegen nicht nachvollziehen. Angesichts des im Internet-Shops vorhandenen Warenwirtschaftssystems und der online in wenigen Sekunden erfolgenden Kreditprüfung des Käufers sei diese Konstruktion in Frage zu stellen.

ZDNet.de Redaktion

Recent Posts

Microsoft nennt weitere Details zu kostenpflichtigen Patches für Windows 10

Erstmals liegen Preise für Verbraucher vor. Sie zahlen weniger als Geschäftskunden. Dafür beschränkt Microsoft den…

12 Stunden ago

Microsoft verschiebt erneut Copilot Recall

Die Entwickler arbeiten noch an weiteren „Verfeinerungen“. Windows Insider erhalten nun wohl eine erste Vorschau…

1 Tag ago

GenKI im Job: Mitarbeitende schaffen Tatsachen

Laut Bitkom-Umfrage werden in jedem dritten Unternehmen in Deutschland private KI-Zugänge genutzt. Tendenz steigend.

1 Tag ago

97 Prozent der Großunternehmen melden Cyber-Vorfälle

2023 erlitten neun von zehn Unternehmen in der DACH-Region Umsatzverluste und Kurseinbrüche in Folge von…

1 Tag ago

„Pacific Rim“-Report: riesiges, gegnerisches Angriffs-Ökosystem

Der Report „Pacific Rim“ von Sophos beschreibt Katz-und-Maus-Spiel aus Angriffs- und Verteidigungsoperationen mit staatlich unterstützten…

2 Tagen ago

DeepL setzt erstmals auf NVIDIA DGX SuperPOD mit DGX GB200-Systemen

NVIDIA DGX SuperPOD soll voraussichtlich Mitte 2025 in Betrieb genommen und für Forschungsberechnungen genutzt werden.

2 Tagen ago