Zwar ist schon heiß umstritten, ob nun die Großen die Kleinen fressen, oder die Schnellen die Langsamen – in der Krise kommt aber noch ein anderer Aspekt dazu: Die Reichen fressen die Armen, vor allem, wenn letztere börsennotiert sind. Aktuelles Beispiel: Die Jagd des als Anti-Spam-Anbieters bekannt gewordenen amerikanischen Herstellers Barracuda Networks auf den österreichischen Security-Spezialisten Phion.
Angefangen hat es damit, dass Barracuda am 16. Juli ein Übernahmeangebot für die Phion-Aktien vorgelegt hat. Die Phion-Gründer Peter Marte, Klaus Gheri und Wieland Alge, die zusammen 22,18 Prozent der Aktien besitzen, standen dem Angebot aufgeschlossen gegenüber. Sie knüpften es aber an mehrere aufschiebende Bedingungen. Dazu zählen das Erreichen einer Übernahmeschwelle von 75 Prozent sowie der Fortbestand von Phion und fast aller seiner Tochtergesellschaften.
Zieht man die Aktienpakete der drei Gründer ab, verbleiben 77,82 Prozent der Anteilsscheine, die an der Wiener Börse gehandelt werden. Für sie hat Barracuda ein Angebot vorgelegt, das bis 18. September befristet war. Der Haken an der Sache: Der von den Amerikanern gebotene Kaufpreis lag bei 12 Euro pro Aktie – und damit pro Aktie 30 Euro unter dem Wert des Börsengangs vor zwei Jahren. „Der Standard“ zitierte daher schon Experten, die den Kauf als ein „Drama für die Aktionäre“ bezeichneten. Und laut „Kurier“ sehen Kleinaktionärsvertreter darin gar eine „legale Abzocke“.
Angetreten war Phion vor ein paar Jahren, um Checkpoint den Garaus zu machen – zumindest in Österreich. Das funktionierte anfangs auch ganz gut. Die Innsbrucker konnten einige hochkarätige Kunden gewinnen, gerade im Bankenumfeld, und wurden allmählich auch im benachbarten Ausland wahrgenommen. Der Kauf von Securebox, einer Tochter der Raiffeisen Informatik Beteiligungs GmbH, kurz vor dem Börsengang brachte zusätzliches Technologie-Know-how. Die Übernahme der Schweizer der Visonys AG, Anbieter von Sicherheitslösungen für Web-Applikationen und Web Services, erweiterte die Marktpräsenz in der Schweiz und sicherte den Innsbruckern weitere Technologien.
So weit, so gut. Im November 2008 platzierte Gartner Phion dann in seiner Marktanalyse „Magic Quadrant for Enterprise Network Firewalls“ da, wo die Visionäre hinkommen. Das ist schon eine Anerkennung, finden sich doch da üblicherweise sonst nur amerikanische oder vielleicht noch mal israelische Sicherheitsfirmen.
Die Österreicher waren also zurecht stolz darauf. „Phion hat gezeigt, dass wir es erfolgreich mit den Großen der Branche aufnehmen und sie sogar schlagen können. Wir haben Verträge mit großen Kunden abgeschlossen, bei denen wir uns ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit etablierten Branchengrößen geliefert haben. Wir sehen unsere Zukunft darin, unsere Präsenz in Europa und darüber hinaus auszubauen“, sagte Phion-Mitgründer und CTO Klaus Gheri damals.
Durch den Erfolg wurden aber nicht nur Kunden, sondern auch andere Anbieter aus der Security-Branche aufmerksam. Barracuda, bekannt und reich geworden mit – sagen wir mal höflich – anspruchslosen Anti-Spam-Appliances, witterte seine Chance, günstig an gute Technologien heranzukommen, und schlug zu. Auf diese Art und Weise hat sich das Unternehmen in den vergangenen Jahren eine ganze Reihe von Technologieanbietern zusammengekauft. Ganz so billig wie gedacht wird es jetzt aber doch nicht: Gestern haben die Phion-Aktien an der Wiener Börse um fast 30 Prozent auf 15,50 Euro zugelegt. Damit war das Barracuda-Angebot von 12 Euro auf einmal uninteressant.
Also haben die Amerikaner heute nachgebessert: Sie bieten jetzt 16 Euro und verlängerten die Frist bis 25. September. Das Jahreshoch der Phion-Aktie war 2009 übrigens bei knapp über 20 Euro. Es ist also noch Spielraum nach oben. Und vielleicht findet sich ja noch ein anderer Anbieter der entdeckt, dass High-Tech aus Tirol eigentlich viel mehr Wert ist, als Barracuda bezahlen will. Ich würde es den Aktionären und der Firma wünschen.
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