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Sun-Übernahme: Ist Brüssel Bremse oder Sündenbock?

Oracle-Chef Larry Ellison ist genervt. Ihm geht die Übernahme von Sun einfach nicht schnell genug voran. Jetzt platzte dem Manager der Kragen. Laut Medienberichten wetterte Ellison über die Brüsseler Bürokraten. Der Grund: Obwohl die US-Behörden den Deal schon längst abgesegnet haben, bestehen die Europäer auf einer längeren Bedenkzeit. Das, so Ellison, koste Sun jeden Monat 100 Millionen Dollar. Aber stimmt das wirklich? Oder muss Brüssel einfach wieder einmal als Sündenbock herhalten?

Ellisons exakte Aussage war, dass Sun derzeit einen Verlust von 100 Millionen Dollar im Monat mache. Das war vor dem Übernahmeangebot zwar weniger, aber Verluste fuhr das Unternehmen auch da schon ein. In dem am 30. Juni geendeten vierten Geschäftsquartal hat Sun einen Umsatz zwischen 2,58 und 2,68 Milliarden Dollar erwartet, was einem Rückgang gegenüber dem Vorjahresquartal zwischen 29 und 32 Prozent entspricht. Der Übernahmeprozess war da wohlgemerkt noch im Oracle-Zeitplan.

Verluste sind bei Sun nichts Neues

Noch deutlicher wird es, wenn man sich die Zahlen des dritten Fiskalquartals 2009 anschaut, das am 29. März, also kurz vor dem Oracle-Angebot, endete. Da schrieb Sun einen Nettoverlust von 201 Millionen Dollar. Das entspricht rund 67 Millionen Dollar pro Monat. Zugegeben: 67 sind nicht 100, aber es gibt ja noch ein paar weitere Faktoren.

Serververkauf stark rückläufig

Im August teilte Sun-Konkurrent IBM stolz mit, dass sich die Zahl seiner Linux-Kunden, die früher Sun Solaris eingesetzt hätten, vom ersten auf das zweite Quartal 2009 glatt verdoppelt habe.

Nur wenige Tage später hat IDC die Zahlen zum weltweiten Servermarkt vorgelegt: Demnach sanken die Absatzzahlen im Vergleich zum zweiten Quartal 2008 um 30,4 Prozent und gegenüber den Monaten Januar bis März 2009 um 26,5 Prozent. Mit 37,2 Prozent musste Sun den größten Umsatzverlust unter den Top-5-Herstellern hinnehmen. Auch das sind zwei Entwicklungen, die lang vor der Hinhalte-Botschaft der EU einsetzten.


Die Marktforscher von Forrester sehen vor allem Ingres als ernstzunehmende Open-Source-Datenbank. Umso weiter rechts oben ein Anbieter platziert ist, umso besser wird er eingeschätzt (Grafik: Forrester).

MySQL: fein, aber klein

Glaubt man den Medienberichten, ist der Stein des Anstoßes für die EU-Kartellwächter MySQL. Die Datenbank ist zwar beliebt, Geld verdient wird damit aber so gut wie nicht. Zumindest nicht von Sun. Als Argument, warum sie dennoch kartellrelevant sein könnte, wird immer wieder angeführt, dass die Lösung ein großes Zukunftspotenzial habe und mittelfristig die Anbieterlandschaft im Datenbankmarkt verändern könne.

Die eigentliche Frage ist also, ob die EU der Übernahme widerspricht, weil sich Oracle damit einen künftigen Konkurrenten vom Hals schafft. Das ist doch eher unwahrscheinlich.

Außerdem gibt es ja auch Alternativen zu MySQL, etwa Ingres oder PostgreSQL. Und Michael Widenius, einer der MySQL-Gründer, hat auch schon wieder etwas im Ärmel. Er hat eine „Open Database Alliance“ gestartet, die zur zentralen Anlaufstelle für MySQL und seine Derivate werden soll.

Lässt man all diese Fakten noch einmal Revue passieren, dann kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Oracle – auch angesichts der eigenen, mäßigen Quartalszahlen – nach einem Sündenbock sucht, um vom eigenen schlechten Abschneiden abzulenken. Die EU und ihre Behörden, Abläufe und Regeln sind sowohl für die Amerikaner als auch die meisten Europäer ohnehin ein Buch mit sieben Siegeln und beiden von vornherein suspekt. Sie bietet sich also geradezu an. Stimmen muss es deshalb noch lange nicht.

ZDNet.de Redaktion

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