Die Piratenpartei erzielt mehr als einen Achtungserfolg

Bei der Bundestagswahl erzielte die Piratenpartei zwei Prozent der Stimmen. Viele sprechen von einem Achtungserfolg. Schaut man sich das Ergebnis näher an, sieht man, dass viel mehr dahintersteckt: Bei den 18- bis 24-Jährigen kam die Partei auf neun Prozent. Von den männlichen Erstwählern gaben sogar 13 Prozent ihre Stimme der Piratenpartei. Das Berliner Ergebnis von insgesamt 3,4 Prozent lässt einen Einzug in das nächste Abgeordnetenhaus – und damit in ein Landesparlament – in greifbare Nähe rücken.

Diese Zahlen zeigen, dass die junge Partei durchaus das Potenzial hat, auf Dauer die Fünf-Prozent-Hürde zu überschreiten. Die Grünen erzielten bei ihrer ersten Bundestagswahl 1980 nur 1,5 Prozent. Zweieinhalb Jahre später zogen sie bei der vorgezogenen Bundestagswahl 1983 ins Parlament ein.

Viele Politologen sehen die Piratenpartei dennoch als eine vorübergehende Erscheinung. Sie sei nicht aus einer sozialen Bewegung entstanden. Der Stuttgarter Politikwissenschaftler Oscar W. Gabriel geht dabei so weit, die Piraten mit der "Biertrinkerpartei und ähnlichen Gruppen" zu vergleichen.

Gabriel und andere Politikwissenschaftler dürften sich jedoch gewaltig täuschen: Während die Grünen damals lautstark in Brokdorf und anderswo demonstrierten und dabei auch der eine oder andere Stein flog, politisiert sich mit der Piratenpartei eine soziale Bewegung, die für sogenannte Internetausdrucker unsichtbar ist. Mit einer "Biertrinkerpartei" hat das wenig zu tun.

Um aber die Fünf-Prozent-Hürde bei kommenden Wahlen zu schaffen, ist eine Menge Arbeit zu leisten. Nicht bei allen Themen ist man sich so einig wie bei der Netzpolitik. Es fehlen vor allem Positionen in der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Dabei werden Konflikte nicht ausbleiben.

Ein anderes Thema wird sein, von dem Image der reinen IT-Nerdpartei wegzukommen. Auf der Wahlparty der Piraten in München sagte ein Besucher, der ein Piraten-T-Shirt trug, er habe sich noch nicht für eine Mitgliedschaft entscheiden können. Er habe mehrere Stammtische besucht, fühle sich aber als Physiker zum Teil unwohl, da zu viel über IT-Themen diskutiert wird – in einer Sprache, die er gar nicht verstehe.

Das Wahlergebnis ist nur eine Chance, zu einer neuen politischen Kraft zu werden, die die Interessen der Online-Generation mit ihrem dazugehörigen Lebensgefühl vertritt. Bei den etablierten Parteien findet sie dieses nicht. Auf die junge Partei kommt jetzt eine Menge Arbeit zu, die es zu meistern gilt.

ZDNet.de Redaktion

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