Chrome OS lässt Anwender vor dummen Terminals sitzen

Während Teile der Presse von einem Angriff auf Microsoft sprechen, sollte man darüber nachdenken, ob Chrome OS nicht vielleicht eine weitere Linux-Distribution wird, die wieder kaum jemand nutzt. Wer will bitte vor dummen Terminals wie in den 60ern sitzen, nur um seine Daten an den Such-Giganten zu übermitteln, damit dessen Werbeeinkünfte steigen?

Denn das ist das Ziel, das hinter Chrome OS steckt. Das zumindest lässt sich aus den Worten von Google-Gründer Sergey Brin lesen, die er gegenüber Bloomberg zu Protokoll gab: „Je mehr Menschen das Internet nutzen, umso besser ist das für unser Geschäft“. Mit einem eigenen Betriebssystem und den aus der Cloud zur Verfügung gestellten Anwendungen könnte Google deutlich mehr Nutzerdaten sammeln, als dies jetzt schon der Fall ist. Chrome OS könnte man daher ohne Übertreibung auch mit Datenkrake 2.0 übersetzen – ein Begriff, den Datenschützer häufig in Verbindung mit Google verwenden. Verständlich ist die Vorgehensweise von Google allerdings: Wenn man erfolgreich Netbooks mit Chrome OS in den Markt drückt, ist man weniger von den Nutzern anderer Betriebssystem abhängig. Blieben diese nämlich morgen Google fern, wäre der Internet-Gigant übermorgen pleite.

Anwender können auf Chrome-OS-Rechner keine eigenen Programme laden, sondern sind auf das Angebot aus der Google-Wolke angewiesen. Ob für diese Nutzung neben der Preisgabe der Identität weitere Kosten anfallen, ist derzeit noch nicht bekannt. Man darf wirklich gespannt sein, ob es tatsächlich Menschen geben wird, die freiwillig ihre Identität dem Geschäftsziel Googles opfern. Und wenn es sie gibt, können sie schon mal mit Sidekick-Nutzern über das Thema einer nicht funktionierenden Cloud sprechen. Deren Daten waren nämlich urplötzlich weg. Immerhin konnten die meisten Sidekick-Datensätze inzwischen wiederhergestellt werden. Vertrauen in die Cloud-Technik hat dieser Vorfall sicher nicht geschaffen.

Gegen einen großartigen Erfolg mit einer millionenfachen Verbreitung, wie ihn Google-Chef Eric Schmidt bereits sieht, sprechen auch andere Aspekte. Der Google-Browser Chrome, der die Basis des in einem Jahr erscheinenden Betriebssystems ist, kommt laut Marktforschern nur auf einen Marktanteil von 3,58 Prozent. Der Internet Explorer hält mit 64,64 Prozent klar die Spitze, gefolgt von Firefox mit 24,04 Prozent. Auf dem dritten Platz landet Safari, der 4,05 Prozent erreicht.

Der Blick auf den Betriebssystemmarkt zeigt ebenfalls nicht unbedingt, dass Linux-basierte Systeme auf dem Vormarsch sind. Im Gegenteil: Die Anzahl der Linux-Rechner liegt weltweit bei unter einem Prozent. Microsoft Windows erreicht bei leicht fallender Tendenz einen Anteil von über 92 Prozent, und Mac OS X kann seinen Marktanteil von 3,78 Prozent im Oktober 2008 auf jetzt 5,25 Prozent steigern. Wenn also einer von der durch Vista hervorgerufenen Schwäche Microsofts profitieren kann, ist das Apple und nicht Linux, obwohl einige Netbooks auch mit dem Open-Source-Betriebssystem angeboten werden. Allerdings will sie niemand kaufen. Und das liegt sicher nicht an einer niedrigeren Leistungsfähigkeit gegenüber Windows- und Mac-Systemen. Die Zauberworte in diesem Zusammenhang heißen einfache Bedienung, Kompatibilität und Software-Angebot, die gegen die Linux-Netbooks sprechen. Immerhin können Anwender auf diesen Geräten Linux-Anwendungen ausführen. So etwas hat das Linux-basierte Chrome OS nicht zu bieten.

Wenn also heute in der Presse davon die Rede ist, dass Google mit Chrome OS Microsoft angreift, ist das in etwa so, als wenn eine Mücke auf einen Elefanten zufliegt. Dass dieser umfällt oder sich vor Angst ins Gebüsch verzieht, darf stark bezweifelt werden.

ZDNet.de Redaktion

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