Überfordert: SAP-Chef Léo Apotheker musste gehen

„Überraschender Rücktritt an der SAP-Spitze“, schreiben die Gazetten, nachdem SAP am Sonntag in einer Pflichtmeldung bekannt gegeben hat, dass Firmenchef Léo Apotheker mit sofortiger Wirkung zurückgetreten ist. Doch von einer Überraschung kann eigentlich keine Rede sein.

Wer die Geschichte von SAP und ihres Mitgründers Hasso Plattner kennt, wusste schon lange, dass Apotheker sich nicht lange an der Spitze des für die IT-Branche äußerst wichtigen Unternehmens wird halten können. Der schon seit über 20 Jahren bei SAP arbeitende Manager übernahm erst im Mai 2009 in alleiniger Verantwortung die Rolle des Firmenchefs in Walldorf. Zuvor hatte er seit 2008 zusammen mit Henning Kagermann das Softwarehaus in einer Doppelspitze geführt.


Léo Apotheker hatte sich als SAP-Chef viel vorgenommen (Bild: DSAG).

Apotheker hatte sich viel vorgenommen: Nicht weniger als ein Konzernumbau stand auf dem Programm. In einem Interview mit dem Manager-Magazin verlangte er „Viel mehr Tempo, wir brauchen deutlich mehr Tempo“ und sagte, „diesen neuen Takt werden wir schneller hinbekommen, als die meisten glauben“. Sein Ziel sei eine schnellere, kostengünstigere und innovativere Arbeitsweise. Zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit wollte er Doppelfunktionen streichen und die bis zu zehn Hierarchiestufen im Konzern deutlich reduzieren. Das alles klang aus der Sicht eines Volks- oder Betriebswirtschaftlers gut, hat Apotheker aber im Konzern selbst sicher wenig Freunde gebracht. Und das technologieaffine SAP-Umfeld mag bei diesen Ankündigungen seine gewohnten Botschaften vermisst haben.

Die Pläne für den Konzernumbau

Außerdem plante der frischgebackene SAP-Chef die Einführung von Lean Management nach dem Vorbild des Autokonzerns Toyota. „Die Softwarebranche ist dabei, eine echte Industrie zu werden. Lean Management wird enorm helfen, Produkte schneller an den Markt zu bringen.“

Durch diese Maßnahmen wollte der studierte Volkswirtschaftler Apotheker SAP langfristig zweistelliges Wachstum sichern und die Rendite verbessern. Entgegen der hochfliegenden Pläne wurde 2009 jedoch ein Schreckensjahr für das stolze Softwarehaus. Daran Apotheker allein die Schuld zu geben, wäre übertrieben. Aber es waren sicher nicht nur die konjunkturbedingten Einbrüche, die SAP ein schlechtes Ergebnis bescherten.

Darüber hinaus steht das Unternehmen angesichts einer sich derzeit besonders rasch wandelnden IT-Welt schon seit geraumer Zeit mit dem Rücken an der Wand. Und: Das einstige deutsche Vorzeigeunternehmen und Liebling der Presse wird in letzter Zeit immer schärfer kritisiert. Im November war etwa in der Wirtschaftszeitung FTD zu lesen, SAP habe seine Wurzeln und seine Kundennähe verloren. Das traf die Walldorfer tief. Und das Manager-Magazin setzte sich in seiner Januarausgabe in einem groß aufgemachten Artikel mit den Problemen des wichtigsten deutschen Softwarehauses auseinander.

Der Streit mit den Kunden

Eines davon: Der für SAP das ganze Jahr 2009 vergiftende Streit mit den deutschsprachigen Anwendern über die Höhe der Gebühren für Wartung und Support. Dass sich in diesem Tauziehen letztendlich die Kunden durchsetzen konnten, dürfte ebenfalls ein Bein von Apothekers Stuhl abgesägt haben, hatte er die Erhöhung doch immer wieder vehement verteidigt. Für seine Nachfolger dürfte er zudem eine erhebliche Bürde darstellen. Denn die bisher recht brav und hinter den Kulissen agierenden Anwendervereinigungen haben ihre Macht entdeckt und werden sie in Zukunft sicher intensiver und mit mehr Drang zur Öffentlichkeit nutzen.

Schon Anfang des Jahres war daher klar, dass der immer noch mächtige und energiegeladene Hasso Plattner handeln würde. Nun soll eine neue Doppelspitze, der US-Amerikaner Bill McDermott und der Däne Jim Hagemann Snabe, das Tagesgeschäft übernehmen. Plattner wird wohl im Hintergrund wieder stärker die Fäden ziehen.

SAP muss angesichts der Entwicklung strategisch neue Lösungen anbieten und nicht nur Sparprogramme ankündigen, um gegen einen so mächtigen Konkurrenten wie Oracle weiter bestehen zu können. Denn das vom superehrgeizigen Larry Ellison geführte amerikanische Softwarehaus hat seit der EU-Erlaubnis zur Übernahme von Sun Microsystems gute Karten in der Hand.

So ist es nötig, dass SAP neben seinen horizontalen ERP-Programmen auch vertikale Branchen Business Angebote wie das mit der Deutschen Bank entwickelte Finanzpaket auf den Markt bringt. Für den Handel (Retail) oder Supply Chain Management gibt es bereits erfolgreiche Angebote. Derartige Programme werden mit langjährigen Stammkunden entwickelt und zeugen von einer wichtigen Marktnähe.

ZDNet.de Redaktion

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