Die Censilia-Richtlinie enthält viele legitime Forderungen. Stein des Anstoßes ist Artikel 21 (Sperrung des Zugangs zu Webseiten, die Kinderpornografie enthalten). Dort heißt in Absatz 1: „Jeder Mitgliedstaat trifft die erforderlichen Maßnahmen, damit der Zugang von Internet-Nutzern zu Webseiten, die Kinderpornografie enthalten oder verbreiten, gesperrt wird.“
Wie die einzelnen Mitgliedsstaaten die Sperren umsetzen, bleibt ihnen überlassen. Das ist explizit in einer Pressemitteilung der EU-Kommission zu lesen. In den meisten Mitgliedsstaaten dürfte das jedoch auf DNS-Sperren und Umleitung auf ein Stoppschild herauslaufen, wie es im Internetzensurgesetz formuliert ist.
Absatz 2 fordert von jedem Mitgliedsstaat die Löschung kinderpornografischer Inhalte. Eine Sperre muss trotzdem erfolgen. Die Richtlinie sieht nicht vor, eine Sperre nur dann zu implementieren, wenn eine Löschung nicht möglich ist. In jedem Fall müssen alle Internetprovider in der EU eine Zensurinfrastruktur aufbauen.
Artikel 6 verbietet das sogenannte „Grooming„. Darunter versteht man heute vor allem, Kinder oder Jugendliche zu einem Treffen zu überreden – meist unter Vorspiegelung falscher Tatsachen. „Groomer“ geben sich in Chats und sozialen Netzwerken als Jugendliche aus. Oft werden dazu auch falsche Profilbilder eingesetzt.
Bei Artikel 6 muss man sich vor allem über die Formulierung wundern. Es heißt dort in der nicht ganz gelungenen deutschen Übersetzung: „Ein Erwachsener, der einem Kind, […] mittels Informations- und Kommunikationstechnologie ein Treffen vorschlägt, mit der Absicht, eine Straftat nach Artikel 3 Absatz 3 und Artikel 5 Absatz 6 zu begehen, wird mit Freiheitsstrafe im Höchstmaß von mindestens zwei Jahren bedroht, …“
Die Einschränkung „mittels Informations- und Kommunikationstechnologie“ ist nicht nachvollziehbar. Offensichtlich soll das Internet unterschwellig als Hauptursache für den sexuellen Missbrauch von Kindern gegeißelt werden. Warum Lehrer, Erzieher, Geistliche, Verwandte und andere Personen, die ein solches Treffen ohne Nutzung von „Informations- und Kommunikationstechnologie“ zu arrangieren versuchen, von Artikel 6 nicht erfasst werden, bleibt unklar – vor allem vor dem Hintergrund jetzt bekanntwerdender Fälle von Kindesmissbrauch aus der Zeit, als das Internet noch kein Massenmedium war.
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