Im Alten Rom war der Zensor einer der angesehensten Beamten. Neben der Volks- und Vermögensschätzung sowie der Besetzung des Senats hatte er die Aufsicht über die Sitten der Römer. Er übte also die Zensur aus. Im zweiten Jahrhundert, als es mit den Sitten der Römer und dem gesamten Staatswesen allmählich bergab ging, sparte man sich die Zensoren – der Kaiser erledigte diese Aufgabe so nebenher. Zum Glück gibt es bei uns weder einen Kaiser noch Zensoren – nur eine Zensursula.

Die Chinesen dagegen haben es schwer. Dort gehört Zensur zum Alltag. Zum Glück kämpft Google heldenhaft dagegen an. Mit der Einrichtung von Google.cn sollte ein Suchdienst angeboten werden, der die von der Regierung betriebenen Filter für ausländische Sites nicht passieren muss. Der Haken an der Sache: Durch den Betrieb eigener Server in China unterlag das Unternehmen der gesetzlichen vorgeschriebenen Selbstzensur. Das wollte man nach den scheinbaren Angriffen aus China nicht mehr hinnehmen.

Google verhandelt, droht und reagiert schließlich, indem sich der Konzern nach Hongkong zurückzieht. Aber auch da lassen die Chinesen den amerikanischen Konzern nicht in Ruhe. Den Medien des Landes werden Vorschriften zur Google-Berichterstattung gemacht, die Suchergebnisse aus Hongkong gefiltert und jetzt sperrt China auch noch mobile Dienste von Google.

Damit hat sich China die Aufnahme in die alljährlich von der Organisation „Reporter ohne Grenzen“ veröffentlichten Liste der Feinde des Internets redlich verdient, denkt sich der deutsche, unbeteiligte Beobachter, der das ganze Ringen mit einer Mischung aus Grausen und heimlicher Befriedigung wahrnimmt. Immerhin wird irgendwo auf der Welt tapfer und unnachgiebig für die Meinungsfreiheit gekämpft. Sowas nötigt Achtung ab.

Wer im Glashaus sitzt …

Wobei, wer – wie wir Deutschen – seit der Unterzeichnung des Internetzensurgesetzes durch den Bundespräsidenten im Glashaus sitzt, vielleicht nicht mit Steinen werfen sollte. Außerdem gehört Deutschland auch noch – sowie die anderen EU-Länder – zu den 39 Staaten, die sich am ACTA-Abkommen beteiligt haben, mit dem Provider gezwungen werden sollen, ihre Nutzer auszuspionieren, um Verstöße gegen das Urheberrecht zu entdecken.

Zensur ist also auch in Europa und in Deutschland keine Zukunftsmusik. Sistrix, eine Agentur für Suchmaschinenoptimierung, hat sich die Mühe gemacht, den Umfang der Zensur von Suchergebnissen auf Google.de zu untersuchen. Von 1.000.000 Keywords wurde dabei bei 6017 ein Hinweis auf ChillingEffects.org gefunden, womit darauf aufmerksam gemacht wird, dass eine oder mehrere Seiten unterdrückt werden. Damit liefert Google.de immerhin bei 0,6 Prozent der Suchanfragen andere Ergebnisse aus als Google.com – wobei Google.com auf Deutsch eingestellt ist.

Bei den Keywords handelt es sich zu rund 90 Prozent um Begriffe aus dem Erotikbereich, fünf Prozent beziehen sich auf den Nationalsozialismus und fünf Prozent sind nach Angaben von Sistrix Suchbegriffe, bei denen Domains aus den ersten zwei Kategorien durch Zufall auftauchen. Ergebnis: Auch in Deutschland ist Google genötigt, die Suchergebnisse zu zensieren.

Immerhin kommt der Sistrix-Blogger zu dem tröstlichen Schluss, dass er nicht glaubt, dass Google „wegen der nötigen Zensur in Deutschland bald das Land verlässt und den deutschen Markt beispielsweise aus den liberaleren Niederlanden bedient.“ Aber was nicht ist kann ja noch werden. Ich habe mir Google Nederland jedenfalls schon mal bei den Favoriten gespeichert – man weiß ja nie.

ZDNet.de Redaktion

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